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Gesunder Menschenverstand: eine unterschätzte Ressource




 

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Management-Moden, Berater-Boom, Experten-Kult – es ist normal geworden, Entscheidungen nach möglichst allen Richtungen abzusichern oder lieber gleich an Experten abzugeben. Dieses Phänomen, das nicht nur im Business verbreitet ist, sondern quasi alle Lebensbereiche durchzieht, wird in der Soziologie als „Expertisierung“ bezeichnet. Was dabei auf der Strecke bleibt, sind die eigenen Kompetenzen und das Vertrauen in die eigene Handlungsfähigkeit. Ich will nicht in Abrede stellen, dass es Probleme und Sachlagen gibt, in denen Expertenwissen und Spezialistentum hilfreich oder gar unverzichtbar sind (bin ja selbst Expertin). Aber immer wieder beobachte ich, dass der Versuch, alles „perfekt“ zu machen – alle Regeln zu befolgen, jedes Detail zu bedenken, die neuesten Managementmethodiken einzusetzen usw. – geradewegs ins Verderben führt. Oft verstellt ein „Zuviel“ an Fachlichkeit den Blick auf das Wesentliche. Und da scheint es mir an der Zeit, doch einmal eine Lanze zu brechen für das, was landläufig „gesunder Menschenverstand“ genannt wird.

Gern erinnere ich mich an ein Experiment, das vor einigen Jahren an der Universität München durchgeführt wurde. Dort absolvierten BWL-Studierende im 8. Semester ein Unternehmensplanspiel, bei dem die Leitung einer Jeansfabrik simuliert wurde. Die Gruppe erzielte einen beachtlichen Gewinn. Ebenfalls an dem Planspiel beteiligt wurde eine Gruppe Studierender der Psychologie und Pädagogik – man wollte untersuchen, wie sich die Strategien der ausgebildeten Teilnehmer von denen „naiver“ Leute unterschieden. Entgegen aller Erwartungen übertrafen die „Psychos“ und „Päds“ den Gewinn der BWler – sie erzielten die doppelte Summe. Zwar weiß ich nicht, welche Strategien die „naiven“ Studierenden genau entwickelt haben, doch es steht zu vermuten, dass Kreativität und gesunder Menschenverstand nicht ganz unbeteiligt gewesen sein dürften.

Den gesunden Menschenverstand zu aktivieren, ist im Grunde recht einfach. Versuchen Sie

  • einfach mal „quer“ zu denken,
  • Dinge „gegen den Strich“ zu bürsten,
  • sich gedanklich aus der Situation zu lösen und von „außen“ auf die Situation zu schauen,
  • Situationen und Probleme aus der Sicht der anderen Beteiligten zu betrachten,
  • in Beziehungen zu denken (vieles, das wir wie „Dinge“ behandeln, z.B. Projekte, sind eigentlich Beziehungsgeflechte),
  • Probleme nicht nur analytisch, sondern empathisch anzugehen (Welches Gefühl habe ich zu dieser Sache? Was empfinden die anderen Beteiligten? Welche vergleichbaren Situationen habe ich schon erlebt – vielleicht in völlig anderen Kontexten?, Was hat in diesen Situationen geholfen? Usw.)

Der gesunde Menschenverstand ist eine Ressource, die viel zu oft unterschätzt und fast gar nicht systematisch nutzbar gemacht wird. Welche Vergeudung!

 

 

Quelle Foto: © dommel55 – Fotolia.com

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