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Der Projektflüsterer




 

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Mögen Sie Robert Redford? Oder Pferde? Selbst wenn Sie weder den einen noch die anderen mögen, werden Sie vermutlich den „Pferdeflüsterer“ kennen. Genau – das ist jener melodramatische Spielfilm, der 1998 in die Kinos kam und ziemlich viele Menschen ekstatisch begeisterte. Für meinen Geschmack ist die Handlung ja ein bisschen langatmig und Robert Redford auch nicht gerade mein Traumtyp, aber das tut hier natürlich nichts zur Sache. Worauf ich hinaus möchte, ist etwas anderes. Eine Parallele, die mir kürzlich in den Sinn kam, als wir im Kollegenkreis darüber diskutierten, wie „indirekte Führung“ in Projekten funktioniert.

Aufgekommen ist das Thema, als ein Kollege von der Diskrepanz zwischen seiner „aktiven“, direkten Führung als Projektleiter und seiner eher „passiven“, indirekten Einflussnahme als Projektberater berichtete. Während man als Projektleiter/in Entscheidungen und Maßnahmen, die man für richtig hält, selbst direkt durchsetzen und veranlassen kann, ist man in beratender Position angehalten, indirekt Einfluss auf die Steuerung eines Projektes zu nehmen. Eine solche Konstellation ist z.B. gegeben, wenn der Berater mit seiner Erfahrung und seinen methodischen Kenntnissen die (meist interne) Projektleitung unterstützen soll, selbst aber keine Befugnis für z.B. Verhandlungen mit den Stakeholdern oder für Ressourcenentscheidungen erhält.

Der Kollege beschrieb, wie er sich in dem Großprojekt vernetzte, Wechselwirkungen und Abhängigkeiten zwischen Personen, Strukturen und Prozessen analysierte, emotionale Stimmungen erfasste, um schließlich zur richtigen Zeit am jeweils richtigen Ort den entscheidenden Impuls zu geben. Dieses Vorgehen erinnerte mich an die Methoden des Pferdeflüsterers Monty Roberts, der dem o.g. Film Pate stand. Auch Roberts nutzte sein feines Gespür und seine besondere Beobachtungsgabe als Basis für seine Arbeit. Roberts studierte das Verhalten von Pferden über viele Jahre und übersetzte die non-verbale Ausdrucksweise der Tiere in eine Körpersprache für Menschen. Mit Hilfe von Gesten wird so eine (gewaltfreie) Kommunikation zwischen Pferd und Mensch möglich.

Berühmt geworden ist Roberts’ Join-up Methode: Einem noch nie gerittenem Pferd wird in einer kleinen runden Longierhalle ein Seil zugeworfen, was eine Fluchtreaktion hervorruft. Da das Pferd jedoch erkennt, dass sein Fluchtradius in der Halle zu klein ist, und um dem potenziellen „Angreifer“ zu entkommen, sendet es nach kurzer Zeit „Verbrüderungssignale“ aus. In diesem Moment stoppt der Trainer seine Scheinattacke und zeigt seinerseits durch Gesten, dass sich das Pferd ihm anschließen kann. Das Pferd geht auf den Trainer zu, der dieses Verhalten wiederum positiv verstärkt. Das Pferd hat somit gelernt, dass ihm kein feindliches Wesen gegenübersteht, sondern ein Gefährte, der ihm Führung und Sicherheit bietet.

Als „Projektflüsterer“ geht es einem doch ganz ähnlich: Man muss wissen, wie Organisationen ticken, ihre „Sprache“ erlernen, das Verhalten der Menschen in ihnen verstehen, einen Spürsinn für die Bedürfnisse des Projekts haben usw. Erst dann kann man gezielt „Führung“ anbieten, und die Beteiligten werden nicht (aus ihrer Verantwortung) fliehen, sondern vertrauen und folgen.

 

 

Quelle Foto: © Markus Bormann – Fotolia.com

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