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Hat „Führung“ ein Geschlecht?




 

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Wer sich mit dem Thema Führung befasst, landet unweigerlich irgendwann auch bei der Frage nach „weiblichen“ und „männlichen“ Führungsstilen. Immer wieder wird behauptet, Frauen führten ihre MitarbeiterInnen „anders“ als männliche Führungskräfte. Dabei wird gern tief in die Stereotype-Kiste gegriffen: Während Männer in ihrem Führungsverhalten (angeblich) eher dominant, autoritär, durchsetzungsstark, machtbewusst und „hart“ seien, würden Frauen (angeblich) eher kooperativ, ausgleichend, empathisch, kooperativ und „sozial“ führen.

Alles eine Frage der Wahrnehmung

Um es vorweg zu nehmen: Diese oberflächliche Debatte geht mir gehörig auf die Nerven, denn meiner Meinung nach ist das vor allem und zu allererst ein Wahrnehmungsphänomen. Wir ERWARTEN von Frauen und Männern, dass sie sich unterschiedlich verhalten – und selbst, wenn sie dies nicht tun, schreiben wir ihrem Verhalten unterschiedliche Bedeutungen zu. Die Erwartungshaltungen und Geschlechterklischees in unseren Köpfen strukturieren unsere Wahrnehmung. Ein Mann, der z.B. in einer Verhandlung nicht von seiner Position abweicht, gilt als durchsetzungsstark. Eine Frau, die exakt das Gleiche tut, gilt wahlweise als „schwierig“ oder „zickig“. Wer als Chefin mal etwas lauter wird, läuft Gefahr, als „hysterisch“ eingestuft zu werden, während ein lautstarker Chef nur seinen Dominanzanspruch unterstreicht. Jedes Verhalten betrachten wir (auch) durch eine „Geschlechter-Brille“.

Stereotype bei der Arbeit

Das zeigen auch – und wieder einmal! – die ersten Ergebnisse einer noch bis 2014 laufenden Studie, die derzeit an der TU München durchgeführt wird. Das Team um die beiden leitenden Professorinnen, Isabell Welpe und Claudia Peus, fand heraus, dass Geschlechterstereotype bei der Einschätzung von Führungspersonal eine große Rolle spielen. So erwarteten z.B. zufällig ausgewählte Testpersonen eine bessere Leistung von Mitarbeitern, wenn ein Mann für die Delegation der Aufgabe zuständig war. Delegierte eine Frau, waren die Leistungserwartungen geringer. In einem anderen Setting zeigte sich, dass MitarbeiterInnen grundsätzlich Führungskräfte befürworten, die ihnen bei der Erledigung von Aufgaben möglichst viel Freiraum lassen – und dass es einen Unterschied macht, ob ein Chef oder eine Chefin über den Grad der Freiheit bestimmt. Weibliche Führungskräfte wurden von den Testpersonen deutlich schlechter bewertet, wenn sie im gleichen (!) Maße den Freiraum begrenzten wie ihre männlichen Kollegen. Ein dominanter Führungsstil wird eher akzeptiert, wenn er von einem Mann ausgeübt wird, und das unabhängig vom Geschlecht der MitarbeiterInnen. Spannend finde ich auch den Befund, dass fröhliche Chefs bei den MitarbeiterInnen besser ankommen als fröhliche Chefinnen. Gehen weibliche Führungskräfte gut gelaunt durch die Flure, wird ihnen weniger Führungswille zugetraut.

Wie Geschlechter gemacht werden

Die Ergebnisse überraschen nicht. Schließlich lehrt uns die Genderforschung schon seit Jahrzehnten, dass die zweigeschlechtliche Ordnung zwar eine materielle (biologische) Basis hat, sie als soziales Phänomen von dieser aber qualitativ unterschieden ist. Als soziale Praxis und Institution besitzt das Geschlecht einen eigenständigen, von der Natur nicht determinierten Status. „Männlichkeit“ und „Weiblichkeit“ sind soziale Konstruktionen, die symbolisch besetzt und ideologisch verstärkt werden. Die Geschlechterordnung entspringt also einem sozialen Klassifikationsbedürfnis.

Alle Menschen unterliegen dem Zwang, sich aktiv in das zweigeschlechtliche Ordnungsmuster einzuarbeiten. Die Genderforschung hat dafür den Begriff doing gender geprägt, den ich sehr treffend finde. In diesem Prozess geht es einerseits darum, die eigene „Weiblichkeit“ oder „Männlichkeit“ möglichst eindeutig zum Ausdruck zu bringen (durch z.B. die Art zu sprechen, zu gehen, zu essen, sich zu kleiden usw.). Andererseits geht es zugleich darum, die Geschlechtsinszenierungen der Interaktionspartner richtig zu deuten. Doing gender ist also zugleich eine Darstellungs- und eine Interpretationsleistung. Womit wir wieder beim Thema Wahrnehmung wären. Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen (und somit auch jene zwischen weiblichen und männlichen Führungskräften) werden in der sozialen Praxis hergestellt und durch Prozesse der Institutionalisierung verfestigt. Damit ist das Geschlecht immer zugleich beides: Handeln und Struktur!

Letztlich gründen die Debatten über den allerorten neu entdeckten „weiblichen“ Führungsstil in symbolischen Verweisungszusammenhängen, in den kulturellen Vorstellungen darüber, was „männlich“ und was „weiblich“ ist.

Geschlecht ist ein Modus, in dem sich die Gesellschaft denkt. Diese Erkenntnis darf jetzt endlich auch im Business ankommen!

 Zum Weiterlesen:

Frauen in die Teeküche

Quelle Foto: © Andrii Muzyka – Fotolia.com

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