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Wettbewerb in Zeiten smarter Produkte – die wichtigsten Veränderungen




 

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Oft wird angenommen, IoT, Big Data und Cloud-Ansätze stellten die Unternehmen vor allem vor technologische Herausforderungen. Doch so rasant die Entwicklungen hier auch sind, ist das nur eine Seite der Medaille. Um am Markt bestehen zu können, müssen Unternehmen sich ebenso auf die Veränderungen des Wettbewerbs konzentrieren, die durch die neuen, „intelligenten“ Produktkategorien und die durch sie revolutionierten Wertschöpfungsketten induziert sind.

Es ist noch gar nicht so lange her, da waren Beleuchtungsspezialisten, Hersteller von Kühlgeräten und Anbieter von Video-Equipment Unternehmen, die sich als Wettbewerber nicht in die Quere kamen. Heute sieht das ganz anders aus: Der Trend zum „Smart Home“ hat einen neuen Sektor geschaffen, in dem Produkte aus vormals unterschiedlichen Bereichen miteinander vernetzt und in übergeordnete Systeme eingebunden werden. Die Anbieter der unterschiedlichen Produkte konkurrieren nun um die besten Plätze im neuen Sektor „Heimvernetzung“.

Durch die Verschiebung des Wettbewerbs weg von einzelnen Produkten hin zu Systemen von vernetzten Produkten und weiter zu übergeordneten Systemen von Systemen lösen sich Branchengrenzen auf. Viele etablierte Unternehmen müssen sich künftig in erweiterten oder neu entstehenden Branchen behaupten. Dies betrifft vor allem die Fertigungsindustrie. Doch auch innerhalb bestehender Branchengrenzen gibt es tiefgreifende Veränderungen und Verschiebungen der Wettbewerbsstruktur.

Michael E. Porter, einer der weltweit führenden Management-Vordenker, hat die zu erwartenden Wandlungsprozesse an seinem Analysemodell „Five Forces“ (Die fünf Wettbewerbskräfte nach Porter) durchdekliniert. Hier eine kurze Zusammenfassung seiner Thesen:

Der Wettbewerb unter bestehenden Konkurrenten

Smarte Produkte führen zu einer erhöhten Wettbewerbsintensität unter bestehenden Konkurrenten. Den Unternehmen bieten sich zahlreiche neue Differenzierungsmöglichkeiten bis hin zum Angebot einzelkundenspezifischer Produkte. Im Trend liegen auch Mehrwertdienstleistungen, die über das eigentliche Produkt hinausgehen wie etwa Auswertungsmöglichkeiten bei Sportgeräten und -bekleidung (z.B. Tennisschläger oder T-Shirts mit integriertem Sensor). Vernetzte Produkte erhöhen den Fixkostenanteil bei der Herstellung, da die technologischen Anforderungen an Datenspeicherung, Analyse, Sicherheit und Produktdesign hoch sind. Dadurch tritt der Preis als Hauptdifferenzierungsfaktor im Wettbewerb zurück. Versuchen Unternehmen jedoch, ihre Fixkosten auf eine höhere verkaufte Stückzahl zu verteilen, so entsteht in Branchen mit hohen Fixkostenanteil schnell ein harter Preisdruck.

Zu beobachten ist auch, dass die neuen technologischen Möglichkeiten zu einer Art „Wettrüsten“ führen. Die Funktionspaletten einzelner Produkte oder Produktgruppen werden ständig erweitert, was die Kosten in die Höhe treibt und die Gewinnspanne verkleinert. Nicht wenigen Unternehmen ist auch schon zum Verhängnis geworden, dass sie zu viele Funktionen an ein Produkt geknüpft oder Funktionen angeboten haben, die von den Kunden gar nicht gewollt wurden.

Die Verhandlungsmacht der Kunden

Durch passgenaue intelligente Produkte können Unternehmen ihre Kunden stärker an sich binden und deren Verhandlungsmacht schmälern. Denn je umfangreicher die gesammelten kundenspezifischen Nutzungsdaten sind, desto aufwändiger und teurer wird es für die Kunden, den Anbieter zu wechseln. Ihre Position den Kunden gegenüber können die Unternehmen auch dadurch verbessern, dass sie, z.B. durch Rückwärtsintegration, von Zulieferern, Vertriebs- und Servicepartnern unabhängig werden. Dies verbessert ihre Gewinnspanne und ermöglicht es, mehr Produkte und Dienstleistungen direkt an die Endkunden zu vermarkten.

Auf der anderen Seite können smarte Produkte aber die Verhandlungsmacht der Kunden auch stärken. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich Produkte und Dienstleistungen für eine gemeinsame Nutzung anbieten. Der Trend zur gemeinschaftlichen Nutzung von Produkten wie z.B. beim Carsharing führt zu einer insgesamt sinkenden Nachfrage nach diesen Produkten. Die Produkte werden nicht mehr als solche, sondern als Dienstleistung gehandelt. Durch detaillierte Produktnutzungsdaten sind Kunden auch weniger auf die Beratung und Unterstützung der Hersteller angewiesen.

Die Verhandlungsmacht der Lieferanten

Der Einfluss smarter Produkte auf die Verhandlungsmacht der Zulieferer ist zwiespältig. Zum einen ist zu beobachten, dass die Verhandlungsmacht „klassischer“ Zulieferer sinkt. Dies liegt vor allem daran, dass weniger physische Komponenten nachgefragt werden bzw. diese zu Massenmarktgütern werden. Die Wertschöpfung erfolgt hauptsächlich über die softwaregesteuerten Produktfunktionen. Und hier kommen nun neue, teils sehr einflussreiche Zulieferer ins Spiel. Anbieter von Speicherlösungen, Sensoren, Netzwerkkomponenten usw. entfalten eine starke Verhandlungsmacht, denn sie haben einen großen Anteil am gesamten Produktwert. Darüber hinaus sind es die neuen Technologielieferanten, die die wertvollen Nutzerdaten sammeln und somit selbst den Endkunden neue Dienstleistungen anbieten können.

Bedrohung durch neue Anbieter

Marktneulinge sehen sich in der Welt smarter Produkte hohen Einstiegshürden gegenüber. Die hohen Fixkosten in der Fertigung setzen ein gewisses Startkapital voraus. Wenn etablierte Unternehmen ihre Marktmacht nutzen, um auf Basis von Nutzerdaten ihre Produkte und Dienstleistungen zu verbessern und zusätzliche gewünschte Funktionen anzubieten, haben neue Anbieter es schwer, in den Markt zu kommen. Eine hohe Kundenbindung und hohe Kosten eines Anbieterwechsels stützen zusätzlich die Macht der alteingesessenen Wettbewerber.

Nur wenn es den Marktneulingen gelingt, die Stärken ihrer etablierten Konkurrenten auszuhebeln, können sie ihre Position verbessern. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn etablierte Unternehmen sich zu sehr auf die physischen Stärken ihrer erfolgreichen Produkte verlassen und Produkterweiterungen durch intelligente, vernetzte Komponenten verpassen. Dann haben neue Anbieter die Chance, in diese Lücke zu schlüpfen und den traditionellen Fertigungsunternehmen mächtig Konkurrenz zu machen.

Bedrohung durch Ersatzprodukte

Substitute sind für smarte Produkte zunächst keine vorrangige Gefahr. Denn sie selbst sind es ja gerade, die die herkömmlichen Produkte ersetzen. Durch ihre Individualisierung und größere Leistungsstärke bieten intelligente Produkte den Kunden einen höheren Mehrwert als das herkömmliche Produkt. Dennoch ist die technologische Entwicklung so schnell, dass auch smarte Produkte sich gegenseitig „überholen“ können.

Stolperfallen im Wettbewerb vermeiden

Zusammenfassend hält Porter fest, dass smarte Produkte vielfältige Möglichkeiten für Wertschöpfung und Wachstum von Unternehmen bieten. Um die Risiken gering zu halten, empfiehlt er, fünf potenzielle Stolperfallen im Auge zu behalten:

  1. Keine Funktionen anbieten, die keinen Mehrwert bieten: Viele Unternehmen statten ihre Produkte mit Funktionen aus, nur weil diese technologisch machbar sind. Stattdessen sollte man schauen: Welche Funktionen wünschen meine Kunden? Für welche Funktionen sind meine Kunden bereit, einen Aufpreis zu bezahlen?
  2. Sicherheits- und Datenschutzrisiken nicht unterschätzen: Vernetzte Produkte und eine Anbindung an Unternehmenssysteme erfordert ein deutlich höheres Sicherheitsniveau.
  3. Neue Wettbewerbsbedrohungen nicht ignorieren: Als Pionier muss man am Ball bleiben, damit neue Anbieter nicht in die Lücke vordringen, die man ihnen z.B. durch Festhalten an hergebrachten Produkten bietet.
  4. Nicht zu lange warten: Behäbigkeit wird in Zeiten disruptiver Technologien bestraft.
  5. Interne Kapazitäten nicht überschätzen: Wenn etablierte Unternehmen ihre Produkte umstellen und erweitern wollen, können sie dies selten allein mit eigenen Bordmitteln. Es ist daher essentiell, dass Unternehmen einschätzen können, was sie selbst leisten und was sie extern dazu holen müssen.

Zur Vertiefung des Themas empfiehlt sich der Artikel „Wie smarte Produkte den Wettbewerb verändern“ von Michael E. Porter und James E. Heppelmann, in: Harvard Business Manager Dez. 2014, S. 34-60.

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Quelle Foto: @ Oleksandr Delyk – Fotolia.com

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