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Einfluss nehmen – mikropolitische Taktiken im Unternehmen (und eine Anleitung zum Selbstcoaching)




 

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Wie schaffen Sie es, das zu kriegen, was Sie wollen? Sind Sie ein Schmeichler, ein Argumentationsgenie oder der Hausdrache, vor dem alle kuschen? Es gibt viele mikropolitische Taktiken, um die eigenen Ziele und Interessen am Arbeitsplatz durchzusetzen. Wie erfolg- oder misserfolgreich diese im Einzelnen sind, hängt von verschiedenen Faktoren ab: der Kultur im Unternehmen, der Struktur (Hierarchie), der eigenen Position in der formellen und informellen Hierarchie, der eigenen Persönlichkeit usw. Unternehmen sind dynamische Beziehungsgeflechte, in denen die Kräfteverhältnisse von Macht und Gegenmacht allgegenwärtig und ständig in Bewegung sind. Es macht daher Sinn, einmal genauer zu schauen, auf welche Weisen Einfluss genommen wird, um Situationen in gewünschte Richtungen zu verändern und die eigenen Vorstellungen und Ziele zu realisieren.

Typische Einflusstaktiken in Unternehmen

Es gibt eine Vielzahl sozialwissenschaftlicher Studien, teils bereits aus den 1990er Jahren, die sich mit dem Thema Einflusstaktiken beschäftigen. Im Zuge der meist fragebogenbasierten Untersuchungen wurden verschiedene Taktik-Inventare ermittelt. Wenn es auch einige Unterschiede in den Inventaren gibt, so tauchen bestimmte Taktiken aber immer wieder auf. Typische Einflusstaktiken in Unternehmen sind demnach:

(1) Druck-Machen: Anweisungen geben, Forderungen stellen, auf die Nerven gehen, Deadlines setzen, Konsequenzen androhen, laut werden, Ärger ausdrücken, penetrant sein, Kontrolle ausüben

(2) Einschmeicheln: Loben, charmant sein, Komplimente machen, höflich und bescheiden auftreten, Demutsgesten zeigen, Bewunderung ausdrücken, sich (scheinbar) abhängig machen, sich von der besten Seite zeigen, Zustimmung zeigen

(3) Rationales Überzeugen: Durch Daten und Fakten überzeugen, sachlich argumentieren, logisch schlussfolgern, ausführlich erklären, rational begründen, detaillierte schriftliche Ausarbeitungen vorlegen, unterstützenden Informationen geben

(4) Tauschhandel: Gefälligkeiten erweisen, Unterstützung anbieten, Gegenleistungen einfordern, Gegenleistungen für Entgegenkommen anbieten, an erwiesene Gefälligkeiten erinnern, reziproke Beziehungen pflegen

(5) Blockieren: Dienst nach Vorschrift machen, falsch informieren, links liegen lassen, langsamer arbeiten, Zusammenarbeit einstellen, absichtlich Fehler machen, Anweisungen ignorieren, anschweigen

(6) Sanktionsmacht nutzen: mit Entlassung drohen, schlechte Leistungsbeurteilungen abgeben, Lohnerhöhung versprechen, Beförderung in Aussicht stellen, Abmahnung aussprechen, Weiterbildung anbieten, Versetzung anordnen

(7) Koalitionen bilden: Unterstützung von KollegInnen/ MitarbeiterInnen/ Vorgesetzten aktivieren, Verbündete suchen, Interessengruppen bilden, Gruppendruck nutzen

(8) Eskalation an höhere Stellen: übergeordnete Ebenen einschalten, offizielle formale Eskalation einleiten, informell Rückendeckung durch Ranghöhere suchen

(9) Persönliche Appelle: an Loyalität von Personen appellieren, freundschaftliche Ebene ins Spiel bringen, persönliche Verbundenheit betonen, Berufliches und Privates vermischen

(10) Berufung auf Regeln: auf Verletzung von Regeln hinweisen, auf die Einhaltung von Regeln und Gesetzen pochen, die Legitimität eigener Forderungen herausstellen, mit Rechtsstreit drohen

Mit Ausnahme der „Sanktionsmacht“ können alle dieser Einflusstaktiken auf allen Statusebenen im Unternehmen – von Vorgesetzten ebenso wie von „einfachen“ MitarbeiterInnen – eingesetzt werden. Vermutlich werden jedoch Taktiken wie z.B. das „Blockieren“ und „Koalitionen bilden“ eher von MitarbeiterInnen zur Beeinflussung von Vorgesetzen verwendet, während „Druck machen“ und „Tauschhandel“ bevorzugte Taktiken von Führungskräften darstellen.

Einfluss nehmen führt zu Konflikten

Einfluss zu nehmen fordert vielen Menschen eine Menge Mut ab – vor allem, wenn offensive Taktiken zum Einsatz kommen. Sich für die eigenen Interessen einzusetzen ist unbequem, es führt unweigerlich zu Konflikten mit anderen, die ihre eigenen Ziele verfolgen. In Unternehmen mit ihren formellen und informellen Hierarchien entwickeln sich leicht Machtgerangel auf unterschiedlichen Ebenen. Häufig besteht eine gewisse Empfindlichkeit im Umgang mit Hierarchien und Machtstrukturen. Viele Menschen „knicken ein“, wenn sie es mit „Höhergestellten“ zu tun bekommen. Meist stecken biografische Erfahrungen der Unterlegenheit oder Ohnmacht dahinter, die wohl die meisten Menschen im Laufe ihres Lebens einmal gemacht haben. Auch der negative Beigeschmack von Macht und Autorität (Machtmissbrauch, Willkür, Manipulation) fördert die Unsicherheit im Umgang mit der Durchsetzung von Interessen.

Wer sich in dieser Gemengelage souverän bewegen und seinen Einfluss wirksam geltend machen will, ist daher gut beraten, sich zunächst mit der eigenen Haltung zum Thema Macht auseinanderzusetzen, seine bisherigen Erfahrungen zu reflektieren und zu beobachten, welche eigenen Taktiken im Umgang mit der Durchsetzung von Interessen vorherrschen. Denn nur, wer sich seiner Denk- und Handlungsmuster aktiv bewusst ist, kann diese gezielt verwenden und verändern. Im Idealfall gelingt es dann,

  • angemessen die eigenen Interessen zu vertreten und Einfluss zu nehmen.
  • sich Autoritäten gegenüber souverän zu behaupten.
  • selbst fair gegenüber anderen mit der eigenen Macht umzugehen.

Anregungen für ein Selbstcoaching

Vielleicht haben sie ja Lust, sich auf ein kleines Selbstcoaching einzulassen. Dann helfen diese Fragen weiter:

  • Welche bisherigen Erfahrungen prägen meinen Umgang mit Macht und Einfluss?
  • Welche Vorbilder/ abschreckende Beispiele sind wichtig für mich?
  • Was habe ich durch diese Personen gelernt?

 

  • Was bedeutet Macht für mich? Mit welchen Eigenschaften verbinde ich Macht (frei, männlich, sexy, abstoßend, gefährlich, hilfreich, erstrebenswert…)?
  • Wo übe ich selbst Macht aus?
  • Sehe ich mich als Gestalter meines Lebens oder als Opfer der Verhältnisse?

 

  • Auf welche Weise nehme ich gewöhnlich Einfluss in meinem Arbeitsumfeld?
  • Wie erfolgreich/ misserfolgreich bin ich damit? Womit bin ich unzufrieden, was möchte ich verändern?
  • Wie würde Kollege X/ Vorgesetzte Y meine Fähigkeit zur Durchsetzung von Interessen beurteilen?

 

  • Was kann schlimmstenfalls passieren, wenn ich mich souverän gegenüber „hohen Tieren“ verhalte?
  • Auf welche Netzwerke kann ich zurückgreifen?
  • Was hält mich davon ab, andere um Unterstützung zu bitten?

Wenn man sich diesen Fragen ernsthaft stellt, erfordert das Zeit, Ehrlichkeit mit sich selbst und auch einen Gesprächspartner, mit dem man sich austauschen kann. Die Mühe lohnt sich aber!

Eine andere, vielleicht etwas einfachere Übung ist es, sich nach und nach eine Person aus dem persönlichen Umfeld auszuwählen und zu schauen:

  • Wie nimmt diese Person Einfluss?
  • Womit setzt die Person ihre Interessen durch?
  • Folgen andere dieser Person gern? Wie schafft sie das?
  • Was kann ich von dieser Person lernen?
  • Was würde ich anders machen?

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Ausprobieren. Weitere Anregungen zum Thema finden Sie bei Fischer-Epe, M./ Fischer, C. (2007): Selbstcoaching: Hintergrundwissen, Anregungen und Übungen zur persönlichen Entwicklung, Reinbek b. Hamburg sowie bei Neuberger, O. (2006): Mikropolitik und Moral in Organisationen, Stuttgart.

Zum Weiterlesen:

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