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Gruselfaktor Roboter – neue Erkenntnisse der Robopsychologie




 

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Akzeptanz ist eine Schlüsselkategorie für neue Technologien. Denn was nützen teure Innovationen, wenn niemand sie will? Oder alle Welt sich gruselt? Die Robotik, der für die nächsten zwei Jahrzehnte ein rasanter Aufstieg vorhergesagt wird, hat ein solches Gruselproblem. Je menschenähnlicher die androiden Helfer in Haushalt, Pflege oder Beruf aussehen, desto unheimlicher sind sie den meisten Menschen.

Das ist eines der Ergebnisse neuerer robopsychologischer Forschung. Verschiedene Studien belegen, dass Roboter wenig gruselig sind, solange sie klar als Maschinen erkennbar sind: Mäh- und Saugroboter wirken überhaupt nicht unheimlich, Industrieroboter ebenfalls und auch Androiden, die zwar Kopf, Rumpf und Extremitäten aufweisen, insgesamt jedoch sehr technisch gestaltet sind, geben wenig Anlass zum Gruseln. Im Gegenteil: niedliche Maschinen wie R2-D2 ernten viele Sympathiepunkte. Ganz anders hingegen androide Köpfe mit Haut und Haar, die die meisten TeilnehmerInnen eines Online-Experiments erschauern ließen. Einen besonders hohen Unheimlichkeitsfaktor haben die (fast) lebensechten Geminoiden – Roboterkopien lebender und verstorbener Menschen – die den japanischen Robotiker Hiroshi Ishiguro auch außerhalb der Wissenschaft bekannt gemacht haben. Seine androiden Doppelgänger sind ihren menschlichen Vorbildern so ähnlich, dass der Unterschied auf den ersten Blick kaum auffällt. Sogar die Eigenschwingung, die jeder Mensch hat, wird durch feinste Zitterbewegungen der Hände simuliert. Umso verstörender sind die Details, die darauf hindeuten, dass eben doch nicht alles „echt“ ist.

Die Ergebnisse der empirischen Studien überraschen im Grunde kaum. Wurden nicht immer schon Wesen gefürchtet, die nicht einzuordnen waren zwischen beseelt und unbeseelt, lebendig und leblos? Frankensteins Monster, Zombies, Wiedergänger, Körperfresser, mordende Puppen usw. – sie sind der Stoff, aus dem viele Horrorgeschichten sind. Was können die EntwicklerInnen und DesignerInnen von androiden Robotern also tun, um den Gruseleffekt zu entschärfen?

Der japanische Wissenschaftler Masahiro Mori rät dazu, Robotern kein zu menschenähnliches Design zu geben. Bereits 1970 skizzierte er eine Kurve, die den Zusammenhang zwischen der Menschenähnlichkeit künstlicher Figuren und der emotionalen Reaktion ihrer Betrachter abbildet. Solange leblose Figuren als künstliche Dinge erkennbar bleiben, gibt es kaum negative emotionale Reaktionen. Erreichen sie jedoch einen hohen Grad an Menschenähnlichkeit, stürzen sie ab in das „unheimliche Tal“ (uncanny valley), in dem u.a. auch Leichname, lebensechte Prothesen, Wachsfiguren und Zombies verortet sind. Erst eine völlige Menschengleichheit würde die Maschinenwesen wieder aus dem unheimlichen Tal entlassen – und das ist das erklärte Ziel vieler anderer ForscherInnen im Bereich der Robotik.

 

An Moris Hypothese vom „uncanny valley“ knüpft die o.g. neuere robopsychologische Forschung an. Sie versucht herauszufinden, ob seine Aussagen heute, fast 50 Jahre später, empirische Evidenz haben und welche Faktoren den Gruseleffekt noch beeinflussen. Denn wie stark sich jemand vor menschenähnlichen Maschinen gruselt, hängt von ganz verschiedenen Faktoren ab. SozialwissenschaftlerInnen fanden etwa heraus, dass die Persönlichkeit eines Menschen hierbei eine Rolle spielt: Personen, die zu Perfektionismus oder Neurotizismus neigen, zeigen demnach besonders hohe Gruselwerte.  Das Gleiche gilt für sehr religiöse und stressgeplagte Menschen. Die Forschung ist hier noch am Anfang. Es ist aber anzunehmen, dass sich Unterschiede in der emotionalen Wahrnehmung und Bewertung menschenähnlicher Roboter auch entlang von Variablen wie Alter, Bildung, Geschlecht und kulturellem Hintergrund finden lassen werden. Sicher spielt es auch eine Rolle, ob jemand eine Affinität zu technischen Themen hat und ob die betreffende Person z.B. grundsätzlich eher eine optimistische oder eine pessimistische Einstellung gegenüber der Zukunft hat.

Nicht ganz unwichtig ist auch der situative Kontext, in dem sich Mensch und Maschine begegnen. In einem Feldversuch konnte z.B. nachgewiesen werden, dass ein fünfminütiges Gespräch mit einem Telenoiden (Telepräsenzroboter, halb reflex-, halb ferngesteuert) von den Probanden als weniger unheimlich empfunden wurde, wenn sie zuvor eine kurze Sci-Fi-Story gelesen hatten, in der die Roboter auftauchten und ihre Funktionsweise beiläufig in der Geschichte erwähnt wurde. Probanden, die stattdessen nur einen faktenbasierten Informationstext gelesen hatten, gruselten sich hingegen genauso stark wie diejenigen, die überhaupt keine Informationen über den Telenoiden erhalten hatten.

Die WissenschaftlerInnen schließen daraus, dass es möglich ist, Menschen die sozialen Roboter auf intuitive Weise – z.B. durch fiktionale Geschichten – vertraut zu machen und so den Gruseleffekt zu überwinden. Vielleicht tritt diese Vertrautheit aber auch durch simple Gewöhnung ein. Je häufiger wir es mit menschenähnlichen Maschinen zu tun bekommen, desto vertrauter werden sie uns und desto weniger graust uns vor ihnen. Dann ist es womöglich nur eine Frage der Zeit, bis sie dem Tal des Unheimlichen entsteigen und zu ganz normalen – ja, was eigentlich? Gegenständen? Interaktionspartnern? – werden.

Wie denken Sie über dieses Thema? Kommentare und Anregungen sind willkommen!

Zum Weiterlesen:

  • Mara, M. (2016): Die Anthropomorphismus-Falle, Zukunfts-Institut, 9/2016.
  • Mara, M./ Appel, M. (2015): Roboter im Gruselgraben, in: Inquisitive Mind, 5/15.
  • H. Knight (2014): How humans respond to robots, Brookings.

Auch interessant:

Quelle Grafik: Die Grafik ist an verschiedenen Stellen im Netz zu finden. Ich habe sie dem Beitrag „How humans respond to robots“ von Heather Knight entnommen (Brookings, 2014).

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