Scrum motiviert Ihr Team! Sicher?
17. Oktober 2011
Mein erstes Projekt zur Einführung von Scrum: Ich kehrte hoch motiviert vom ScrumMaster-Training zu meinem Team zurück, begierig, meine Begeisterung zu teilen. Eine kurze Präsentation der grundlegenden Scrum-Regeln schloss ich mit den Worten „Teams, die diesem Rahmenwerk folgen, sind schneller und liefern qualitativ hochwertigere Produkte.“. Erste Frage aus dem Team: „Warum wird ein Team trotz zusätzlicher zeitaufwendiger Meetings schneller?“. Meine Antwort: „Weil Scrum-Teams fokussierter arbeiten, sich gegenseitig besser unterstützen und motivierter sind.“. Zweite Frage des Skeptikers: „Warum sollten Scrum-Teams motivierter sein, als wir es sind?“. Jetzt verließen mich meine Argumente: „Äh, nun ja, weil das empirisch bewiesen ist.“
Was motiviert Softwareentwickler?
In seinem Buch „Drive: The Surprising Truth About What Motivates Us“ betrachtet Daniel Pink die letzten 40 Jahre wissenschaftlicher Untersuchungen der Motivation und klassifiziert drei Arten:
Motivation 1.0 zielt auf das reine Überleben: Essen, Trinken, Fortpflanzung und Furcht bestimmen die menschlichen Aktivitäten.
Motivation 2.0 ist schon fortgeschritten: Es geht um Belohnung und Bestrafung, Zuckerbrot und Peitsche. Dass diese Denkweise heute immer noch in vielen Organisationen vorherrscht, zeigt ein Blick auf die Gehaltssysteme. Motivation 2.0 fördert Arbeiten bei denen es ein einfaches Regelwerk und ein klares Ziel gibt, da das Blickfeld durch diese „Wenn-Dann-Beziehungen“ stark eingeschränkt wird.
Die von Pink angeführten Studien decken aber auch auf, dass Belohnungen die Kreativität bei der Suche nach Problemlösungen mindern.
Motivation 3.0 ist auch als intrinsische Motivation bekannt. Ziel ist es hier, dass Mitarbeiter Aktivitäten aus eigenem Antrieb durchführen. Wesentlich dabei sind nach Pinks Recherchen
- Autonomy: der Drang, unser Leben eigenständig zu lenken, uns selbst zu organisieren.
- Mastery: der Wunsch, bei etwas Bedeutungsvollem besser und besser zu werden.
- Purpose: die Sehnsucht zu tun, was wir im Dienste von etwas Größerem als wir selbst tun.
Dass diese Erkenntnisse durchaus Relevanz haben, belegen beispielsweise Open Source Projekte, deren Beteiligte unentgeltlich, aber selbstorganisiert an etwas „Größerem“ arbeiten und oft erfolgreicher sind als große Softwareunternehmen.
Wie erfüllt Scrum die Faktoren der intrinsischen Motivation?
Ein wesentlicher Bestandteil der Autonomie im beruflichen Umfeld ist die zielorientierte Selbstorganisation. Sie rückte spätestens seit dem Agilen Manifest in das Bewusstsein der Entwickler-Community und ist bei Scrum von zentraler Bedeutung. Die Teams dürfen und sollen ausgerichtet auf einen erfolgreichen Sprint, also das Erreichen der Sprintziele, ihre Aufgaben selbst strukturieren, organisieren und verteilen. Dies ist unter anderem im zweiten Teil der Sprint Planung fester Bestandteil des Rahmenwerkes: das Entwickler-Team plant die Umsetzung der für den Sprint zugesagten Ergebnisse selbst und bricht User Stories in kleinere Aufgaben herunter. Niemand gibt dem Entwickler-Team vor, wie die Aufgaben umzusetzen sind.
Die drei Scrum-Säulen Transparenz, Überprüfung und Anpassung dienen der kontinuierlichen Verbesserung, also der Erlangung von Überlegenheit (Mastery), und prägen sowohl den Sprint Review als auch die Retrospektive. Während beim Review der Schwerpunkt auf der Verbesserung des Produktes liegt, wird in der Retrospektive vorwiegend das Arbeitsumfeld inkl. Mitarbeiterbeziehungen, Werkzeugen und Prozessen betrachtet. Beide Meetings bieten Möglichkeiten zur Verbesserung nicht nur an, sie fordern diese ein. Zusätzlich hat schon das Scrum Team-Modell zur Aufgabe, „die Flexibilität, Kreativität und Produktivität des Teams beständig zu verbessern“ (Scrum Guide 2011) .
Die Bestimmung (Purpose) oder besser Sinnerfüllung der Entwickler beginnt bereits damit, dass alle Beteiligten das Product Backlog einsehen und durch die verschiedenen Meetings Einfluss auf die Gestaltung des Produktes nehmen können. Das gesamte Team weiß zu jedem Zeitpunkt, welche Aufgaben anstehen und wie das „große Ganze“ aussehen wird. Zudem gewährleisten die Transparenz des Sprint Backlogs sowie die täglichen Standup Meetings, dass jedem Teammitglied die Aktivitäten in seinem unmittelbaren Umfeld bekannt sind. Da der Teamgedanke bei Scrum im Vordergrund steht, ist jeder Mitarbeiter auch sozial in etwas „Größeres“ eingebettet.
Selbstorganisation, kontinuierliche Verbesserung und das Mitwirken an „etwas Größerem“ werden in Scrum also nicht nur angeboten, sie werden gefordert und sind Grundlage des Rahmenwerkes. Pinks Motivationsfaktoren Autonomy, Mastery und Purpose sind somit wesentlicher Scrum-Bestandteil.
Motiviert Scrum immer?
Wenn man Daniel Pink glauben möchte, kann man nach den bisherigen Ausführungen gar nichts dagegen tun: Ein Team, das Scrum regelgerecht betreibt, ist hoch motiviert. Die Schwäche dieser oft herbeigesehnten und doch so schlichten Aussage liegt in dem Wort „regelgerecht“. Denn Scrum stellt hohe Ansprüche an die Team-Mitglieder:
- Die Team-Mitglieder müssen die Fähigkeit zur Selbstorganisation besitzen oder zumindest gewillt sein, sich diese anzueignen.
- Die Team-Mitglieder müssen an Verbesserungen der eigenen Arbeitsweise, des Arbeitsumfeldes und der Arbeitsergebnisse interessiert sein.
- Die Team-Mitglieder müssen über Kompetenzen wie Kritikfähigkeit, Selbstreflexionsfähigkeit, Eigenverantwortung, Teamfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit, Veränderungsfähigkeit, Lernfähigkeit usw. verfügen.
In einer idealen Welt wähle ich meine Team-Mitglieder nach diesen Gesichtspunkten und zusätzlichen fachlichen Qualifikationen aus. In anderen Welten liefert Scrum den unschätzbaren Vorteil, dass es transparent wird, wenn die erwähnten Kompetenzen nur in ungenügendem Maß vorhanden sind. Die Kunst des Scrum Masters ist es dann, die richtigen Rückschlüsse zu ziehen und diese Impediments in angemessener Weise aufzulösen.
Wie gehen Sie mit derartigen Impediments um? Welche Faktoren haben nach ihrer Erfahrung Einfluss auf die Motivation Ihrer Scrum-Teams?
Weiterführende Informationen zu diesem Artikel:
Vortrag von D. Pink
Sehr schöne Zusammenfassung des Buches von D. Pink
Scrum Guide 2011
Quelle Foto: © alphaspirit – Fotolia.com
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