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Alles so schön konstruktiv hier! Zur Streitkultur in deutschen Unternehmen




 

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Hätten Sie’s gewusst? Rund 40% der Befragten einer jüngst veröffentlichten Studie bewerten die Streitkultur in ihrem Unternehmen als „konstruktiv“. Ebenso hohe Werte erzielen die Attribute „wertschätzend und respektvoll“, „entscheidungsorientiert“ sowie „offen und transparent“. Glauben Sie nicht? Um ehrlich zu sein: Ich kenne das aus meiner Praxis auch anders 😉 Dennoch: Der nun vorliegende erste „Streitkulturindex für deutsche Unternehmen und Organisationen“ zeichnet ein überwiegend positives Bild des Umgangs mit Konflikten im Arbeitsumfeld. Nachholbedarf wird vor allem in der Professionalisierung und der Institutionalisierung der Streitkultur in Unternehmen gesehen, insbesondere bei Changevorhaben und Umstrukturierungen.

Durchgeführt wurde die Befragung von Februar bis Juli 2015 durch die Forschungsstelle Wirtschaftsmediation der Technischen Hochschule Köln unter Federführung ihrer Leiterin Prof. Dr. Ricarda Rolf. In Zusammenarbeit mit einer Frankfurter Wirtschaftskanzlei sowie dem „Institut für Wirtschaftsmediation und Konfliktmanagement“, einem Dienstleister u.a. für Mediation, Training und Konfliktmanagement, wurden rund 300 Führungskräfte befragt, von denen die meisten (45,6%) aus kleinen und mittleren Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern stammen.

Interessant finde ich, dass laut Forschungsdesign für die Befragung hauptsächlich die LeiterInnen von Personal- und Rechtsabteilungen sowie bei mittelständischen (Familien-)Betrieben die InhaberInnen für die Befragung ausgewählt wurden. Wie würden die Ergebnisse wohl aussehen, hätte man „kleine“ Teamleiter, Mitarbeiter oder Auszubildende befragt? Sicher sind es die Führungskräfte, die die Führungs- und damit auch die Streitkultur in einem Unternehmen prägen. Doch die Wahrnehmung unternehmenskultureller Aspekte ist ebenso sicher auch an die Position im Unternehmen geknüpft. Wenn also die Führungskräfte sich selbst als konstruktive und entscheidungsorientierte Streitschlichter sehen, heißt das nicht, dass andere Unternehmensangehörige das zwangsläufig genauso erleben.

Insofern sind die Studienergebnisse – wie jede Statistik – mit einer gewissen Skepsis zu lesen. Es verwundert auch nicht, dass in der Ergebnispräsentation der Bedarf an Beratung und Weiterbildung durch externe Experten herausgestellt wird, wenn man einen Blick auf das Dienstleistungsangebot der an der Studie beteiligten Organisationen wirft. Das erklärt möglicherweise auch die Fokussierung auf die Führungskräfte (mit).

Die zentralen Ergebnisse der Online-Befragung sind rasch zusammengefasst.

  • Die Streitkultur in deutschen Unternehmen wird von den Führungskräften überwiegend positiv beurteilt.
  • Die am häufigsten genannten negativen Aspekte der Streitkultur sind das Verdrängen von Konflikten (28 % der Nennungen) und die Lösung von Konflikten per Machtwort (24%).
  • In mehr als 70% der Fälle werden Konflikte von Führungskräften gelöst.
  • In ca. 60% der Fälle werden Konflikte von den unmittelbar Betroffenen gelöst.
  • In knapp 25% der Fälle werden interne Fachleute aus Personal- und Rechtsabteilungen involviert; in etwa ebenso vielen Fällen ist der Betriebs- oder Personalrat an der Lösung beteiligt.
  • Ein Drittel der befragten Unternehmen verfügt über interne Mediatoren, etwa 50% beschäftigen einen eigenen Coach.
  • In 16% der Fälle werden externe Fachleute wie z.B. Mediatoren hinzugezogen.
  • (In einer anderen Pressemitteilung (vom 10.03.2016) der Forschungsstelle für Wirtschaftsmediation heißt es, 34% der befragten Unternehmen hätten bereits eine Mediation beauftragt).
  • Wenn Mediatoren beauftragt werden, wird deren Arbeit in 82,5% der Fälle als gut bis sehr gut bewertet.

Kritisch beurteilt werden die folgenden Punkte:

  • Die Führungskräfte, die nach eigenen Angaben die meisten Konfliktfälle bearbeiten, bemängeln das Angebot an Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten, z.B. im Bereich Konfliktmanagement (78%) und im Umgang mit schwierigen Verhandlungspartnern (49%).
  • Nur 37% der Unternehmen nutzen bei Restrukturierungen und anderen Organisationsveränderungen Konfliktbearbeitung präventiv. 58% der Befragten wollen das ändern.
  • Konflikte werden von den Verantwortlichen überwiegend (mehr als 80%) akut und anlassbezogen behandelt.
  • Eine institutionalisierte Behandlung von Streitfällen wird in rund einem Drittel der befragten Unternehmen praktiziert.
  • Mehr als 90% der befragten Unternehmen haben kein Konfliktmanagementsystem implementiert.

Die vorgestellten Ergebnisse habe ich den Pressemitteilungen der TH Köln sowie dem öffentlich zugänglichen Forschungsbericht entnommen. Auf der Website der Forschungsstelle für Wirtschaftsmediation findet sich auch noch ein aktiver Link, der zum verwendeten Fragebogen führt – für alle, die das Handwerkszeug interessiert.

Der Streitkulturindex soll fortan regelmäßig erhoben werden. Man darf gespannt sein, wie sich das Studiendesign weiterentwickelt und welche neuen Einsichten über die Streitkultur in deutschen Unternehmen damit zu gewinnen sein werden.

Zum Weiterlesen:

Quelle Foto: @alphaspirit – Fotolia.com

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