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Situative Führung?




 

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Was ist Ihre erste Reaktion auf die Antwort „Es kommt darauf an.“? Sind Sie damit zufrieden? Besonders wenn Sie einen Rat suchen, der Ihnen zukünftige Entscheidungen wesentlich erleichtern soll. Wenn Sie eine stabile, richtungsweisende Stütze brauchen und stattdessen eine Unmenge von Einflussfaktoren erhalten, die genau so stabil sind wie die Aktienkurse. Das ist „situative Führung“ in ihrer Maxime.

Um optimal zu führen sollten Sie nicht mehr und nicht weniger als alle möglichen Faktoren berücksichtigen, wie etwa Stärken und Schwächen, Motivation, Denkweise und Kommunikationsstil, traumatische Vergangenheit, potenzielle Konflikte, momentane Stimmung usw. Das alles bezogen auf sich selbst und auf die Mitarbeiter und dann noch ergänzt um die Beziehungsknäuel in zahlreichen Sub-Systemen wie Team, Familie, Verein. Führen Sie die Liste selbst fort! Kein Wunder, dass diese umfangreichen Kenntnisse im täglichen Leben kaum genutzt werden, nachdem der positive Seminarrausch mit dem Gefühl, viel mehr Wissen zu haben, sich gelegt hat.

Ein weiterer aus meiner Sicht fragwürdiger Aspekt der situativen Führung ist die unterschwellige Vermittlung des Größenwahns. Jetzt kenne ich die Knöpfe und werde mit ein wenig Übung zum Profi-Schachspieler. Die Mitarbeiter werden zu entmenschlichten Figuren auf dem Brett reduziert, was sie auch früher oder später merken. Die Enttäuschung ist immer wieder groß, wenn die Figuren doch nicht nach den Regeln tanzen, was zu Einbeziehung von weiteren Einflussgrößen führt, bis man die Übersicht endgültig verliert. Es haben bei der Zukunftsprognose auch schon etliche wirtschaftswissenschaftliche Modelle versagt, sobald man angefangen hat immer mehr kleinere Faktoren einzubeziehen. Unter anderem beruht dies auf der Schwierigkeit, alle Faktoren von entsprechender Größe zu identifizieren und richtig bewerten zu können.

Und was passiert aus Sicht der Mitarbeiter? Der Vorgesetzte behandelt mich sehr individuell, anders als meine Kollegen, er ist hart zu einem und weich zum anderen. Ich weiß nicht richtig, ob er mit uns sein Spiel spielt und wie er morgen zu mir steht. Ich kann sein variables Führungsverhalten schwer vorhersagen. Was ist die Folge? Fehlendes Vertrauen, weil wir denjenigen am meisten trauen, die wir gut einschätzen können und wo keine negativen Überraschungen zu erwarten sind und umgekehrt. Stark situatives Verhalten wirkt opportunistisch und greift die Basis jeder Beziehung an – Vertrauen!

In unseren Zeiten, wo die Bücher zu Entschleunigung und Vereinfachung des Lebens als erste ausverkauft werden, brauchen Manager stabilen Halt für die Entscheidungsfindung. Statt unzähliger Variationen einen gemeinsamen Nenner, statt nur situativem, von außen stark beeinflusstem – werteorientiertes Handeln.

Das heißt natürlich nicht, dass die konkrete Situation nicht in Betracht gezogen werden muss. Aber mehr Akzent auf innere Werte, die keinen Riesenschwankungen unterliegen, würde sowohl den Vorgesetzten als bessere Orientierung in täglichen Turbulenzen dienen, als auch von außen stabilen Boden für die Zusammenarbeit bieten.
Quelle Foto: © Sergey Nivens – Fotolia.com

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