Nur nicht provozieren lassen! 3 Tipps für ein besseres „Standing“
14. Februar 2024
Neulich saß ich in einem kleinen Café in der Hamburger City und genoss ein Stück Spinatquiche, als zwei Herren mittleren Alters am Nebentisch aneinandergerieten. Ich drosselte mein Esstempo und lauschte gespannt dem Gesprächsverlauf. Offenbar ging es darum, dass einer der beiden „wie ein Vollidiot“ agierte, während der Andere nach Auffassung des Ersten Probleme damit hatte, erst zu denken und dann zu sprechen. Die Sache schien interessant: zwei Kollegen eines Management-Teams, die über ein bestimmtes Vorgehen im Board-Meeting in Streit geraten waren.
Das Gespräch schaukelte sich auf, der Ton wurde schärfer, beide Herren schwitzten bereits. Eigentlich fehlte zur bevorstehenden Explosion jetzt nur noch einer dieser zündenden Killer-Sätze. Im gleichen Moment, in dem ich das dachte, brachte sich einer der beiden in Position: er lehnte sich etwas zurück, holte tief Luft, faltete die Hände vor sich und nahm sein Gegenüber ins Visier: „Jetzt sei mal vernünftig und lass uns sachlich reden!“
In einer emotional aufgeheizten Situation gibt es kaum einen besseren Eskalationsbeschleuniger als den Appell zu Sachlichkeit und Vernunft. Wer sich gerade aufregt und in einen Schlagabtausch verwickelt ist, wird dies als weitere Provokation empfinden. Und oft ist das ja auch genauso gemeint. Wie der Herr an meinem Nebentisch es gemeint hatte, kann ich nicht sagen. Auf alle Fälle ging der Schuss kräftig nach hinten los. Der Gemaßregelte verließ wütend das Café und ließ seinen Kollegen im Gehen noch wissen, dass der „ihn mal könne, und zwar kreuzweise.“
Provokationen begegnen uns im Arbeitsalltag sehr häufig. Manchmal sind sie nett gemeint, ein Spaß unter Kolleg:innen oder der Versuch, Leute ein bisschen aus der Reserve zu locken, damit sie sich öffnen und stärker einbringen können. Oft sind Provokationen aber ärgerlich und vergiften die Atmosphäre, vor allem wenn es zu persönlichen Angriffen, Beleidigungen oder zur Torpedierung von Arbeitsabläufen kommt.
Provokationen sind immer der Versuch einer Manipulation. Es geht darum, bei einer Person ein bestimmtes Verhalten hervorzurufen. Die Motive können dabei sehr unterschiedlich sein. Es gibt z.B. notorische Streitsucher, denen es Spaß macht, andere zu ärgern und zu aggressivem Verhalten zu verleiten. Mangelndes Selbstbewusstsein spielt ebenfalls oft eine Rolle. Hier werden Provokationen dazu benutzt, sich selbst zu erhöhen. Sehr häufig, ich würde sogar sagen: fast immer, geht es um Macht. Wenn es mir gelingt, jemanden aus der Fassung zu bringen, erlange ich Macht über ihn oder sie. Ich verleite mein Gegenüber dazu, Dinge zu tun oder zu sagen, die sein oder ihr Ansehen beschädigen – vor mir, vor anderen, aber auch vor sich selbst. Wenn sich die Stimme überschlägt, der Kopf rot wird, die Mimik entgleist oder gar Tränen fließen, ist es mit der Souveränität vorbei. Nach so einem Ereignis ist es schwer, wieder zu einem „normalen“ Umgang zurückzufinden. Sicher, das ist ein Extrembespiel. Doch auch im Kleinen funktionieren Provokationen auf diese Weise, nur etwas subtiler.
Provokationen kann man nicht aus dem Weg gehen. Es gibt jedoch einige Maßnahmen, die helfen, ihnen gelassener zu begegnen und die eigene Souveränität zu wahren.
1. Schaffen Sie Abstand!
Die erste und wichtigste Regel lautet „Distanz!“ Provokationen sollte man niemals mit spontanen Rechtfertigungen oder Gegenvorwürfen begegnen, denn dann ist man schon mittendrin in der Eskalationsspirale. Sinnvoll ist es, zunächst die eigenen Gefühle zu sortieren, und dafür brauch man Abstand.
Wenn Sie also merken, dass die Wortwahl oder das Verhalten einer Person Sie auf die Palme bringt, verlassen Sie die Situation. Diese in der Psychologie „Exit-Strategie“ genannte Maßnahme lässt sich auf verschiedene Weisen umsetzen. Sie können tatsächlich physisch den Raum verlassen. Je nach Lage eignen sich begleitende Kommentare wie „Ich habe zu tun“ oder „In einer halben Stunde habe ich Zeit für Sie.“ Eine andere Möglichkeit ist, im Raum zu bleiben, das Gespräch jedoch ohne weitere Diskussion zu beenden. Mögliche Kommentare sind „Darauf antworte ich jetzt nicht.“ „Mein Eindruck ist, dass wir so nicht weiterkommen. Ich möchte das Gespräch daher beenden.“
Hilfreich finde ich auch folgenden kleinen Trick: Legen Sie sich den persönlichen Angriff vor Ihrem geistigen Auge erst einmal auf den Tisch oder den Boden. Betrachten Sie ihn in Ruhe. Das hilft Ihnen, sich in einer emotional aufgeladenen Situation zu distanzieren und sich von dem Angriff nicht zu sehr verletzen zu lassen.
2. Zeigen Sie innere Stärke!
Provokationen machen keinen Spaß, wenn sie ihr Ziel verfehlen. In dem Moment, in dem der Provokateur merkt, dass er Sie mit seiner Masche nicht kriegen kann, haben Sie den Machtkampf (zumindest vorübergehend) gewonnen. Zeigen Sie Charakterstärke, Souveränität und Selbstdisziplin, indem Sie ruhig bleiben. „Überhören“ Sie verbale Angriffe einfach und ignorieren Sie provozierendes Verhalten. Vielleicht werden Sie sich jetzt fragen, wie Sie das mit Ruhigbleiben anstellen sollen, wenn jemand Ihre Reizpunkte triggert und Sie am liebsten aus der Haut fahren oder Ihr gegenüber am Kragen packen würden. Als impulsiver Mensch habe ich mir diese Frage auch immer wieder mal gestellt und einige Tipps zusammengetragen (s.u. „Effizientes Ärgern“, „Mehr Gelassenheit“).
Eine gute Strategie zur Demonstration innerer Stärke und Gelassenheit ist auch, Provokationen mit Humor zu nehmen. Oft kann man ja im Nachhinein über Dinge lachen, die man in der betreffenden Situation überhaupt nicht lustig fand. Mit ein bisschen Training lässt sich in den meisten unangenehmen Situationen auch eine komische Seite finden – und schlagfertig reagieren. Wenn Sie es schaffen, dass andere, vielleicht sogar der Angreifer selbst, mitlachen, haben Sie die drohende Eskalation abgewendet und die Situation entspannt. Und auch wenn es wirklich nichts zum Lachen gibt und Sie z.B. in einem Meeting unangemessen angegangen werden, setzen Sie ein freundliches Lächeln auf, wenden Sie sich der betreffenden Person zu und sagen Sie: „Hey, ich mag Ihre Witze! Aber nun zurück zum Thema.“
Aber Vorsicht! Menschen, die gezielt Provokationen und persönliche Attacken einsetzen, um ihre Ziele zu erreichen, können extrem hartnäckig sein und werden mit hoher Wahrscheinlichkeit größere Geschütze auffahren, bevor sie ihre Strategie aufgeben. Darauf muss man sich mental einstellen.
3. Legen Sie die Basis für ein konstruktives Folgegespräch!
Nicht immer ist es angemessen, provozierendes Verhalten zu ignorieren, lächerlich zu machen oder sich der Attacke geschickt zu entziehen. Es gibt viele Konstellationen, in denen das auch nur schwer möglich ist, z.B. im Verhältnis zu Vorgesetzten. Der Königsweg im Umgang mit Provokationen ist daher die Schaffung einer Grundlage für die konstruktive Fortsetzung des Gesprächs. Selbst, wenn sich jemand im Ton vergriffen oder Sie sogar schon beleidigt hat, gibt es eine Möglichkeit, die Sache noch in andere Bahnen zu lenken.
- Sprechen Sie den Angreifer direkt an, mit seinem Namen. Tun Sie dies so lange, bis er seinen Redefluss unterbricht. „Frau Kock, Frau Kock, Frau Kock…“
- Formulieren Sie Ihre Wahrnehmung als Ich-Botschaft. „Ich fühle mich gerade persönlich angegriffen.“
- Beenden Sie das Gespräch. „Ich möchte das Gespräch so nicht weiterführen.“
- Bieten Sie eine Alternative an. „Ich schlage vor, wir treffen uns in einer halben Stunde im Besprechungsraum im 1. Stock und besprechen das Thema.“
- Bitte Sie um ein Einverständnis: „Ist das in Ordnung für Sie?“
Mit diesem Vorgehen zeigen Sie ebenfalls Stärke, signalisieren jedoch, dass es Ihnen nicht um einen Machtkampf geht, sondern um die Sache und ein angenehmes Klima. In den meisten Fällen wird diese Maßnahme erfolgreich sein. Schließlich läuft man sich am Arbeitsplatz immer wieder über den Weg und muss, soll oder will weiter zusammen arbeiten. So wie die beiden „Board-Member“ an meinem Nebentisch im Café, denen ein solches Vorgehen auch gut zu Gesicht gestanden hätte.
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