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Agile Undercover




 

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Oft kommt man sich in Gesprächen unter Softwareentwicklern wie im Werbefilm vor: „Mein Haus, mein Auto, mein Boot,…“ wird ersetzt durch Fotos von transparentem Team-Raum (natürlich inkl. Entwicklern beim Pairprogramming) und buntem Task-Board, dargeboten auf dem neusten Apfel-Tablet. Insider-Witze über Impediments und Muda amüsieren und die agile Begriffswelt wird bei jeder Gelegenheit in Anspruch genommen.

Eine Hyperbel? Sicher! Dennoch reichen Fachbegriffsverkündigungen und Verweise auf ScrumGuide und Co. nicht aus, um Teams von agilen Methoden zu überzeugen und diese zu einer engagierten Anwendung zu motivieren.

Der Wolf Fuchs Schäferhund im Schafspelz

Nach meiner Erfahrung muss ein Team gar nicht wissen, dass es gerade nach einem bestimmten Modell vorgeht. Im Gegenteil: in dokumentationslastigen Entwicklungsbereichen von Branchen wie Pharma oder Medizintechnik erhöht die konkrete Erwähnung agiler Methoden eher den Widerstand. Macht es in der Praxis tatsächlich einen Unterschied, ob man einen festen Planungszeitraum intern als Sprint, Iteration, Timebox oder Zeitintervall bezeichnet?

Natürlich ist es in einer idealen Welt vorzuziehen, Ideenwelten wie Scrum oder Kanban gemäß der entsprechenden Literatur einzuführen. Wenn eine derartig massive Veränderung aber nicht möglich ist, muss das nicht heißen, dass die Vorzüge agiler Ansätze ungenutzt bleiben müssen. Ich betrachte hierzu in meinen Projekten gerne aktuelle Verbesserungspotentiale, die dem Team auffallen und die einen angemessen hohen Leidensdruck erzeugen:

  • 1. „Ich werde immer wieder in meiner Arbeit unterbrochen und bekomme neue Tasks“. – „Okay, ab jetzt erhältst du nur noch alle 2 Wochen neue Aufgaben und ich schütze dich vor deinen Vorgesetzten.“
  • 2. „Ich habe Aufgaben, die jetzt begonnen werden müssen, kann aber wegen externer Einflüsse nicht abschätzen, wann ich fertig werde.“ – „Okay, wir schauen alle 14 Tage, wie der Stand ist, und planen dann die nächsten Schritte.“
  • 3. „Meine Mitarbeiter sind nicht motiviert und schaffen ihre Aufgaben nicht in der von mir vorgegebenen Zeit.“ – „Lass deine Mitarbeiter den Aufwand der Aufgaben ohne Einfluss durch dritte selbst schätzen und ihre zur Verfügung stehende Arbeitszeit selbst ermitteln. Du priorisierst die Aufgaben dann nach Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten. Die Mitarbeiter sagen dir, welche sie davon innerhalb der vorgegebenen Zeit schaffen.“
  • 4. „Wir sind uns im Team bzgl. des Aufwandes unserer nächsten Projektschritte nicht einig. Außerdem verstehen die Mitarbeiter nicht die Aufgaben ihrer Mitstreiter“ – „Okay, ich spiele mit euch ein bisschen Karten.“
  • 5. „Mein Team macht immer wieder dieselben Fehler.“ – „Lass uns eine regelmäßige Besprechung mit vielen bunten Kärtchen durchführen, in der wir schauen, was gut läuft und was verbesserungswürdig ist.“
  • 6. „Wir leisten tolle Arbeit, diese wird aber nicht gewürdigt.“ – „Präsentiert euren Auftraggebern und Stakeholdern einfach regelmäßig eure Ergebnisse und fordert Verbesserungsvorschläge ein.“
  • 7. „Mein Team hat fast autistische Züge. Es bespricht die Aufgaben nicht und keiner weiß, woran der andere arbeitet.“ – „Kauf dir ein Whiteboard und triff dich einmal am Tag mit deinem Team davor.“
  • 8. „Herrmann ist einfach zu langsam. Alle Aufgaben stauen sich bei ihm.“ – „Kauf dir ein Whiteboard und bilde den Arbeitsablauf darauf ab. Beschränke die Aufgabenanzahl je Arbeitsschritt und versuche, die Engpässe zu entlasten.“

Was der Bauer nicht kennt

Ist es Ihnen aufgefallen? Worte wie ScrumMaster, Backlog, Sprint, Impediment usw. sind nicht gefallen. Dennoch werden die meisten Leser wissen, wo die Antworten ihren Ursprung haben.

Die Änderung der Arbeitsweise scheint durch Verwendung bekannter Vokabeln einfach. Es wird beispielsweise zu einer zusätzlichen Besprechung eingeladen, in der man nach einem gewissen Ablauf den letzten Monat Revue passieren lässt. Das klingt anders als der Einsatz eines „Retrospektiv-Meetings zur Erlangung einer Kaizen-Haltung, in dem Storytelling, Mut und Impediment-Beseitigung von gaaanz besonderer Bedeutung“ sind.
Natürlich sind diese Aspekte wichtig, es ist aber oft hinreichend, wenn der Moderator weiß, wie er diese einfließen lässt, und sein Team entsprechend führt.

Halten Sie die „teilweise“ Nutzung von agilen Prinzipien für sinnvoll oder muss man nach Ihrer Erfahrung immer den kompletten Regelsatz befolgen? Auf Ihr Feedback bin ich gespannt.

Erläuterungen zum obigen Vorgehen:
1. Sprintweise Planung zum fokussierten Arbeiten
2. Sprintweise Projektsteuerung
3. Rollentrennung, Selbstorganisation, Commitment
4. Planning Poker
5. Retrospektive-Meeting
6. Review-Meeting am Sprintende
7. Taskboard und Daily Standup
8. Kanban-Board
 
Quelle Foto: © javier brosch – Fotolia.com
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