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Das Risikoparadox




 

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Stark von der Finanzindustrie beworben und von vielen heiß gewünscht: die risikofreie Anlage. Unser Streben nach Sicherheit und dem Meiden von Risiken ist tief verwurzelt. Auch im Unternehmensalltag geht es darum, Risiken zu beherrschen (mit Risikomanagement), häufig mit der Folge, Risiken gar nicht erst einzugehen, weder als Unternehmen noch als Person im Unternehmen. Und dieses Meiden von Risiken mit dem Ziel, möglichst hohe Gewinne zu erzielen, hat sich ja auch fast ein ganzes Jahrhundert als zentrales Management-Muster bewährt.

Stellen wir uns nun einmal eine vereinfachte Welt vor: Wir befinden uns auf einem öden, wüstenähnlichen Planeten. Wir sind wenige Menschen und das Schöne ist, es gibt immer prima zu essen, alles was man sich wünscht: Obst, Gemüse, Fisch, auch für die Fleischesser ist etwas dabei, immer alles nach Wunsch. Die Essplätze sind immer an der gleichen Stelle und prall gefüllt. Doch es gibt auch Gefahren. Immer an den gleichen Stellen kommen blitzschnell messerscharfe Steinschwerter hoch. Und gleichzeitig öffnen sich, auch an den immer gleichen Stellen, metertiefe, siedend heiße lavagefüllte Löcher. In einer solchen Welt gilt: Man sollte die immer gleichen Wege beschreiten, viel über die Gefahren wissen und sich von diesen möglichst fernhalten. Zu viel Bewegung, besonders in unbekannte Gebiete, ist lebensgefährlich und bringt uns den leckeren Speisen nicht näher. Am Besten ist es eigentlich, sich von den Futterstellen möglichst wenig zu entfernen und an einem Ort zu verweilen, insbesondere wenn dieser nicht zu voll besetzt sind. Alles andere wäre ein unnötiges Risiko.

Hundert Jahre später hat sich diese Welt verändert: Nur noch die wenigsten Essplätze bleiben an der gleichen Stelle, sie erscheinen an immer neuen Orten. Es gibt auch immer mehr Menschen, die an einer Stelle essen wollen. Nicht alle Essplätze sind mit allem, was man persönlich mag, gefüllt. Und es ist auch sonst deutlich gefährlicher geworden. Die Lavalöcher sind mehr geworden, sie öffnen sich nun an den unterschiedlichsten Stellen, Gleiches gilt für die messerscharfen Steinschwerter, die an immer anderen Orten immer häufiger auftauchen. In einer Welt wie diese ist es ein großes Risiko, sich NICHT zu bewegen. Es ist paradoxerweise ein großes Risiko, kein Risiko einzugehen. Das Verhalten von vor hundert Jahren, sich nicht zu bewegen und Risiken vollständig ausschließen und beherrschen zu wollen, erweist sich in dieser Umwelt als lebensgefährlich.

Ich finde, unsere reale Welt ähnelt durch die zunehmende Komplexität immer mehr der zweiten Welt. Auch wenn es vielen von uns im tiefsten Innern noch widerstrebt: es gilt das Risikoparadox: Sich nicht zu bewegen und keine Risiken einzugehen, ist das größte Risiko.

Werkzeuge zur Bewältigung unterschiedlicher Komplexität

Nichttriviale Maschinen – warum Dinge oft anders laufen, als man denkt

 

Quelle Foto: © isoga – Fotolia.com

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