Rechtliche Aspekte von Projekt-Turnarounds
11. August 2008
„Vertrag kommt von vertragen.“ Dieser nicht nur sinngemäß, sondern auch etymologisch korrekte Satz enthält viel Wahres. Verträge werden geschlossen, um eine einvernehmliche Regelung von Verhaltensweisen und Leistungen zwischen verschiedenen Parteien zu schaffen. Klingt einfach, ist es aber nicht immer. Wie aufreibend ein Vertragsabschluss mitunter sein kann, habe ich gerade selbst wieder einmal erlebt. Da wird über die exakte Formulierung einzelner (Standard-)Floskeln und den Gebrauch bestimmter Begriffe gestritten – wo doch eigentlich ganz andere Dinge im Raum stehen, nämlich Ängste, Zweifel und Sorgen: Kann ich meinem Vertragspartner voll vertrauen? Wird er sich loyal und integer verhalten? Wird er die versprochene Leistung zu meiner Zufriedenheit erbringen? Diese Fragen kann kein Vertragswerk beantworten. Die Reichweite von Verträgen ist immer eine begrenzte; eine 100%-ige Absicherung gibt es nicht.
Verträge verschwinden nach ihrem Abschluss meist in der Schublade. Gut ist, wenn sie lange dort bleiben. Werden Verträge hingegen wieder hervorgeholt, ist es mit dem Vertragen zwischen den Parteien meist nicht mehr allzu weit her. Doch hilft das Recht bei krisenhaften Entwicklungen wirklich weiter? Aus unserer Erfahrung im Turnaround-Management von IT-Projekten kann ich sagen: Nein. Die meisten rechtlich vorgegebenen Wege führen nicht aus der (Projekt-)Krise heraus, sondern geradewegs ins Aus. Kommt es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung, ist das Projekt in jedem Fall gescheitert. Es ist daher immer ratsam, andere Lösungswege (z.B. Mediation) zu beschreiten und es gar nicht erst so weit kommen zu lassen.
In den durch Verträge gesetzten rechtlichen Rahmenbedingungen von Projekten sind Krisen in der Regel nicht vorgesehen. Die Parteien würden ja keine Vereinbarung über eine Zusammenarbeit treffen, wenn sie ein Scheitern für wahrscheinlich hielten. Es ist auch gar nicht möglich, das Vorgehen in Krisensituationen vertraglich exakt festzulegen, nicht zuletzt, weil gar nicht alle potenziellen Krisenszenarien vorab bekannt sein können. Aus juristischer Sicht empfiehlt es sich aber, Verträge für Projekte so zu gestalten, dass sie möglichst nützliche Rahmenbedingungen für den Fall der Krise bieten. Dr. Christoph Zahrnt, Experte für IT-Vertragsrecht, schlägt dazu folgende Maßnahmen vor:
- Allgemeinverständliche, „managementtaugliche“ Formulierung von vertragsbezogenen Dokumenten
- Vertragliche Berücksichtigung von Reserven bei Zeit-/Budgetüberschreitungen
- Regelung von Change-Request-Verfahren
- Vereinbarung über Eskalationswege
- Regelung über den unkomplizierten Austausch von Projektbeteiligten, die das Projekt (z. B. durch ihre Verhaltensweisen, ihren Umgang mit Kollegen, fehlende soziale Skills usw.) gefährden
- Vereinbarung von Milestones für Zwischenleistunge; Zahlungen werden an das Erreichen der Milestones geknüpft
- Vereinbarung von Rücktrittsrechten
Daneben ist bei Projekt-Turnarounds auch die rechtliche Position des Turnaround-Managers zu bedenken. Dieser begibt sich oft in stürmische Fahrwasser und sollte daher einige Grundsätze bei seiner Beauftragung beachten. Rechtsanwalt Zahrnt empfiehlt dazu u.a.:
• Turnaround-Management als Dienstvertrag (nicht: Werkvertrag) vereinbaren. Geschuldet wird ordnungsgemäßes Arbeiten, nicht der Erfolg
• Wenn der „State of the Art“ verlassen wird, um die Projektsanierung voranzutreiben, sollte dies zur Minderung des Haftungsrisiko in den Vertrag aufgenommen werden
• Vereinbarung kurzer Vertragslaufzeiten mit Verlängerungsoptionen, damit Ausstiege zu definierten Zeitpunkten (z.B. nach der Auditphase) möglich sind.
• Dokumentation der Grundlage, auf der Entscheidungen getroffen wurden (Informationsstand)
Wer dieses Thema vertiefen möchte, wird in unserem Turnaround-Buch fündig. Dr. Christoph Zahrnt hat einen entsprechenden Beitrag zu unserem Sammelband „Turnaround-Management von IT-Projekten“ beigesteuert. Viel Spaß beim Lesen!
Quelle Foto: © rupbilder – Fotolia.com
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