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Lasst Bilder sprechen!




 

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Kennen Sie „Malen nach Zahlen“? Das sind Malsets, die aus einer mit Motivumrissen bedruckten Leinwand und einem Satz Ölfarben bestehen. Die Motive sind in kleine, mit Nummern versehene Felder zerlegt und sollen mit den ebenfalls durchnummerierten Farben ausgemalt werden. Diese Malsets waren für mich schon als Kind, das regelmäßig zu Weihnachten mit Hundeporträts oder Waldstillleben zum „Malen nach Zahlen“ bedacht wurde, der Inbegriff der Kreativlosigkeit. Die kleinlich nummerierten Felder fand ich schlicht erbärmlich – die bunten Farbnäpfe hingegen richtig prima. Und so präsentierte ich meiner Oma nach abgeschlossener Schaffensperiode statt des vorgesehenen Dackelgemäldes das ein oder andere Mal ein farbenprächtiges und – sagen wir mal so: eher abstraktes – Einhorn-Triptychon.

Vielleicht fragen Sie sich an dieser Stelle, warum ich Ihnen das hier, ausgerechnet in einem Projektmanagement-Blog, erzähle. Nun, dafür gibt es einen guten Grund: Ich möchte Sie auf ein Verfahren aufmerksam machen, mit dem Sie in Projekten den Prozess des malerischen Gestaltens und die Ausdruckskraft von Bildern gezielt nutzbar machen können. Es handelt sich dabei um die Ikonografie. Das ist eine Methode, die ursprünglich in der Kunstgeschichte beheimatet ist und sich mit der Deutung von Motiven in Werken der bildenden Kunst befasst. Das Verfahren wird aber auch zu therapeutischen Zwecken, im Kontext der qualitativen Sozialforschung (z. B. in Studien zu Unternehmenskulturen) und als systemische Intervention bei der Organisationsentwicklung verwendet. Das Prinzip des ikonografischen Vorgehens ist denkbar einfach: Die TeilnehmerInnen malen (einzeln oder in Gruppen) ein Bild zu einem bestimmten Thema. Im Gegensatz zum „Malen nach Zahlen“ gibt es dabei keinerlei Vorgaben zur Gestaltung; die Kreativität darf frei fließen. Die fertigen Bilder werden anschließend gemeinsam mit dem/der geschulten Moderator/in besprochen und ausgewertet.

In Projekten kann die Methode zu vielen verschiedenen Zwecken und Themen eingesetzt werden: Konflikte, Changevorhaben, Krisen, Integration, Zielfindung, Visionen, Bewältigung von Ängsten und anderen negativen Emotionen, Motivation, Teambuilding usw. Wir haben gute Erfahrungen damit in Change-Prozessen und Turnaround-Projekten gemacht. In Workshops lassen wir von den Teilnehmer/innen auf „malerische“ Weise beispielsweise Ist-Soll-Analysen erstellen. Das lockert die ganze Veranstaltung angenehm auf und ist bislang ausnahmslos gut angekommen. Die Beteiligten bearbeiten dazu die Fragen „Wo stehen wir jetzt?“ und „Wo wollen wir hin?“. Für das Anfertigen der Bilder reichen einfache Werkzeuge wie Malblöcke und Buntstifte aus. Ich persönlich finde es jedoch immer sehr schön, den TeilnehmerInnen eine gewisse Auswahl an Malutensilien zur Verfügung zu stehen. Hilfreich sind Pinsel, Wasserfarben, Filzstifte in verschiedenen Stärken, Klebstoff, Scheren und unterschiedliche Papierformate.

Übrigens: Für unser Buch „Turnaround-Management von IT-Projekten“ haben Michael Zirkler und Matthias Freivogel von der Universität Basel einen Beitrag über Konflikte geschrieben, in denen sie das ikonografische Verfahren an Beispielen aus der eigenen Forschung vorstellen. Wenn Sie mögen, schauen Sie doch einfach mal rein!

 

 

Quelle Foto: © Robert Neumann – Fotolia.com

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