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Was hält Projekte „gesund“?




 

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Dass IT-Projekte in brenzlige Situationen, Schieflagen und bisweilen handfeste Krisen geraten, ist eigentlich nichts Besonderes. Aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklungen wächst die Komplexität der Projekte, ihre Ziele werden dynamischer und ihre Rahmenbedingungen immer instabiler. Fast könnte man soweit gehen und behaupten: krisenhafte Verläufe von IT-Projekten sind der Normalfall. Diese Zuspitzung erinnert mich an eine Vorlesung aus meiner Studienzeit bei Lars Clausen in Kiel. Ich weiß nicht mehr, worum es in der Vorlesung wirklich ging (vermutlich „produktive Arbeit – destruktive Arbeit“; ist ja auch schon eine ganze Weile her ?), aber ich habe gut in Erinnerung, wie Clausen den Hörsaal der alten Mensa mit folgender Aussage zum Brodeln brachte: „Der Krieg ist das Normale. Was Sie als Soziologen erklären müssen, ist der Frieden!“ Das hat viele Kommilitonen moralisch entrüstet. Aber Clausen hatte natürlich Recht: Die Soziologie interessiert sich für den „Kitt“, der Menschen, Gruppen, Gesellschaften zusammenhält.

Übertragen auf die Projektwelt bedeutet dies: Man sollte den Fokus nicht allzu einseitig darauf richten, die Entstehung von Krisen zu erklären, sondern auch einmal den Blick dafür schärfen, wie Projekte es schaffen, trotz steigender Anforderungen und Probleme „gesund“ zu bleiben. Statt sich also auf die Analyse von Risikofaktoren zu konzentrieren, wäre es vielleicht ratsam, (jenseits der üblichen „Erfolgsfaktoren“) herauszufinden, welche positiven Ressourcen bzw. protektive Faktoren einen erfolgreichen Projektverlauf begünstigen – und diese in der Praxis gezielt zu fördern.

Der vorgeschlagene Perspektivenwechsel ist im Grunde nichts anderes als ein Wandel von der klassischen Prävention hin zu einer aktiven „Gesundheitsförderung“ für Projekte. Während es bei der Prävention um die Minderung von Risiken und die Vermeidung von Folgeschäden geht, steht bei der Gesundheitsförderung die Schaffung gesunder Verhältnisse durch eine gezielte Befähigung zum Aufbau positiver Ressourcen im Mittelpunkt. In der Sozialmedizin ist dieses Denkmuster übrigens schon seit vielen Jahren etabliert. Auslöser dafür waren die Forschungsarbeiten von Aaron Antonovsky zur „Salutogenese“. Anders als seine Kollegen aus der Medizin, die vorrangig die Erscheinungsbilder und Ursachen von Krankheiten untersuchten (Pathogenese), erforschte Antonovsky, aufgrund welcher Faktoren Menschen – auch unter den widrigsten Umständen – gesund bleiben können.

Ich finde, dass dieser Ansatz auch in der Projektarbeit besten Sinn macht und würde gern weiter darüber nachdenken. Vielleicht hat jemand Lust, sich über diese Thema auszutauschen? Dann nix wie ran an die Tastatur…

 

 

Quelle Foto: © Sashkin – Fotolia.com

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