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Power Maps – Machtstrukturen sichtbar machen




 

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Wenn in Organisationen das Thema „Macht“ zur Sprache kommt, geht es meistens um repressive Verhältnisse zwischen „oben“ und „unten“, um Herrschaftsansprüche, Kontrolle, Dominanz. Und damit verbindet sich zugleich ein negativer Beigeschmack. Das ist aber eine sehr verkürzte Sichtweise, denn Macht ist ein schillerndes Phänomen mit vielen Facetten. Der Philosoph Michel Foucault hat gezeigt, dass Macht als Mikrostruktur alle Bereiche unseres Lebens durchdringt und sich in den unterschiedlichsten Techniken und Verfahrensweisen manifestiert. Macht ist omnipräsent und ubiquitär – wir begegnen ihr immer und überall. Fälschlicherweise wird Macht oft als Objekt betrachtet, als etwas, das Einzelne oder Gruppen besitzen könnten. Macht ist aber ein multidimensionales Kräfteverhältnis, das immer auch Gegenmacht und Widerstand einschließt. Sie entspricht Netzen von dynamischen Beziehungen, die immer in Bewegung sind. Wird diese Bewegung blockiert, können sie jedoch zu Formen der Herrschaft erstarren.

Macht ist ein absolut spannendes Thema und ich gebe zu: die Versuchung ist groß, theoretisch noch ein bisschen weiter auszuholen. Aber dies ist ja ein (Projekt-)Management-Blog und deshalb werde ich jetzt mal praktisch: Bei Veränderungsvorhaben in Unternehmen steht die Bearbeitung sozialer und kultureller Aspekte – Kommunikation, Klima, Konflikte, Kooperation usw. – im Zentrum. Zumindest implizit geraten dabei auch die Machtstrukturen in den Fokus. Möchte man das Thema explizit bearbeiten, bietet sich die Anfertigung von Power Maps an. Power Maps sind eine Möglichkeit, mit Hilfe systemischer Aufstellungsarbeit Machtkonstellationen im Unternehmen sichtbar zu machen, und zwar aus unterschiedlichen Blickwinkeln.

Und so funktioniert es: Platzieren Sie in der Mitte eines Grupperaumes ein dickes rotes Kissen – das Zentrum der Macht. Bitten Sie nun die TeilnehmerInnen des Workshops, sich um dieses Kissen herum zu gruppieren, wobei die Abstände zum Kissen den Abstand zum „Machtzentrum“ markieren. Zusätzlich können Sie die TeilnehmerInnen auffordern, durch Gestik, Mimik und Haltung ihre Macht/Ohnmacht zum Ausdruck zu bringen. Anschließend führen sie weitere Aufstellungen durch, in denen die TeilnehmerInnen von anderen Gruppenmitgliedern im Raum positioniert und durch Anweisungen zu körperlichen Darstellungsformen gebracht werden, die der Wahrnehmung des anderen Gruppenmitglieds entsprechen. Auf diese Weise erhalten Sie ein Bild der Machtkonstellationen, das Selbst- und Fremdeinschätzungen widerspiegelt.

Alternativ können Sie eine Visualisierung von Rangfolgen erreichen, indem Sie anstelle des Kissens farbige Karten einsetzen, mit denen Sie anhand einer Skala ein Machtspektrum auf dem Fußboden des Gruppenraumes abbilden. Die Positionierung erfolgt wiederum in mehreren Durchgängen wie oben beschrieben.

Die Durchführung von Power Maps erfordert ausreichend Erfahrung und eine gute Vorbereitung der Beteiligten. Es besteht ansonsten die Gefahr, dass solche Aufstellungen in einem Desaster gipfeln, weil die Methode einen stark konfrontativen Charakter hat. Ganz wichtig ist es, den TeilnehmerInnen anschaulich zu machen, dass „Macht“ negative und positive Aspekte in sich vereint. Dies gelingt meist, wenn man auf den englischen Begriff „Power“ verweist, mit dem positive Vorstellungen von Energie und Kraft assoziiert werden.

Power Maps eignen sich als Intervention besonders, wenn ein Empowerment von MitarbeiterInnen angestrebt wird. Durch die Aufstellungsarbeit wird körperlich spürbar, wie viel Macht über die eigene Person man anderen überlassen hat – aber auch, dass man eigene Ressourcen mobilisieren kann, um diesen Zustand zu ändern. Solche Zielsetzungen werden gewöhnlich im Einzelcoaching vertieft. Aber auch für andere Anlässe wie z.B. das Sichtbarmachen informeller Machtstrukturen sind Power Maps in der Entwicklung von Organisationen geeignet. Fragen, mit denen Sie Reflexionen zum Thema Macht anstoßen können, sind z.B.

  • Wo übe ich Macht aus? Und wie?
  • Wo wird Macht auf mich ausgeübt? In welcher Weise?
  • Wo in der Organisation gibt es Machtkonzentrationen?
  • Welche Gegenmächte wirken?
  • Wo gibt es verdeckte Machtstrukturen? Woran erkenne ich diese?
  • Welche Personen üben formelle Macht aus? In welcher Weise?
  • Welche Personen üben informelle Macht aus? In welcher Weise?
  • Wo wirkt sich Macht im Unternehmen produktiv aus? Und wo destruktiv?
  • Welche Mächte wirken von außen auf das Unternehmen?

Eine theoretische Unterfütterung zum Thema Power Maps gibt es bei Hilarion Petzold (2007): Integrative Supervision, Meta-Consulting, Organisationsentwicklung, Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften. Ich kann die Lektüre allerdings nur stilistisch unempfindlichen LeserInnen empfehlen.

Copyright Foto: Setzwein IT-Management GmbH

 

 

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