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Sprinten Sie noch? Oder laufen Sie schon mit nachhaltiger Geschwindigkeit?




 

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Der Trend der Zeit gerade im Bereich der IT sind selbstorganisierte Teams, die agil vorgehen, also iterativ-inkrementell Produkte entwickeln. Manager erhoffen sich davon häufig totalen Einsatz der Menschen bis über ihre Grenzen hinaus. Worte wie Fokussierung und Commitment werden nach meiner Erfahrung auch gern als „Druckmittel“ eingesetzt, um auch unter allen Umständen das gesetzte Ziel zu erreichen („Aber Ihr habt Euch doch darauf committet!“). Natürlich wird die zu überspringende Latte auch ständig höher gelegt.

Wenn mir so etwas im Beratungsalltag auffällt, erzähle ich immer eine kleine Geschichte, die ich mit meinem damals knapp 10-jährigen Sohn in den Bergen erlebt habe. Wir waren auf eine kurze, aber knackige Wanderung gegangen, vor uns lag ein schmaler Serpentinenweg, den wir ca. 1000 Höhenmeter aufsteigen wollten. Wir gingen dabei sehr langsam. Nach kurzer Zeit wurden wir von einer lärmenden Gruppe jüngerer Erwachsener überholt, die lautstark über unser Tempo spotteten. Die Reaktion meines Sohnes war ganz natürlich, das wollte er nicht auf sich sitzen lassen, also wollte er das Tempo steigern. Ich habe ihm gesagt, dass wir einfach mit unserem langsamen Tempo weiter gehen werden (damals hat er noch auf mich gehört). Gut fünf Minuten später saß die Gruppe am Wegesrand um zu verschnaufen. Ja, der Weg war steil, steinig, mit Stufen. Trittsicherheit war gefordert. Wir gingen langsam an der Gruppe vorbei, die daraufhin ihre Pause beendete und hinter uns her gestürmt kam, um uns erneut zu überholen. Nur wenig später haben wir dann diese Gruppe erneut überholt, als sie wieder Pause machen musste.

Nach der dritten Pause der Gruppe hat sie es nicht mehr geschafft, uns einzuholen. Warum? Wenn wir schneller gegangen wären, hätten wir auch Pausen machen müssen, wir aber waren mit „nachhaltiger Geschwindigkeit“ unterwegs, also der Geschwindigkeit, die wir nahezu unbegrenzt lange durchhalten können.

Manager, die darauf dringen, dass ihre Mitarbeiter immer mit höchst möglicher Geschwindigkeit arbeiten, werden den gleichen Effekt erleben, die Dinge werden später fertig, die Teams können nicht mehr nach links und rechts des Weges blicken, um vielleicht bessere Wege zu finden. Und irgendwann sind sie dann vielleicht auch ausgepowert und frustriert. Wir dagegen sind genussvoll bis zum Ende des Weges gegangen, haben die Aussicht genossen und uns auf einer Alm bei Buttermilch und Topfenstrudel mit Vanillesauce über das gemeinsam Geschaffte gefreut.

Einer der Erfolgsfaktoren für unsere persönliche nachhaltige Geschwindigkeit bei der Bergwanderung sei hier auch noch erwähnt, weil gut auf die Arbeit übertragbar: Das Streben nach technischer Exzellenz. Jedes Ausrutschen, jedes Umknicken kostet beim Wandern Kraft zur Korrektur. Je besser man also seine Tritte setzt, desto weiter kann man laufen! Beim Bergsteigen gibt es den Spruch: „Ein guter Tritt wird durch eine schlechte Technik schlecht, ein schlechter Tritt wird dadurch zum Risiko oder auch unmöglich!“ Warum beherzigen wir diese (Lebens-)Erfahrung eigentlich so wenig im Berufsleben?

Meine Empfehlung: Wandern statt Sprinten!

Wollen Sie mehr über das Thema Agilität wissen:

Quelle Foto: Dr. Christoph Staabs Privat

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