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„Wie war ich?“ Selbst- und Fremdwahrnehmung im Team




 

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Korinthenkacker, Heulsusen und Despoten sind immer die anderen. Ist schon klar, dass (fast) niemand sich selbst gern so sieht. Lieber hält man sich für präzise, mitfühlend oder willensstark. Dass Selbst- und Fremdwahrnehmung mitunter gehörig auseinanderliegen, ist eine Alltagserfahrung, die wohl jeder schon einmal gemacht hat. Im Job ist dies ein häufiger Anlass für Konflikte und schlechte Stimmung. KollegInnen fühlen sich missverstanden und missachtet oder fragen sich, warum die anderen auf ihr Verhalten so „merkwürdig“ reagieren. Dass solche Wahrnehmungsdifferenzen regelrechte Karrierekiller sein können – insbesondere wenn sie mit Klischeevorstellungen einhergehen – habe ich an anderer Stelle schon gezeigt: Die Freundlichkeitsfalle.

Zwar etabliert sich in vielen Unternehmen zunehmend eine differenzierte Feedback-Kultur, doch selten werden hier Diskrepanzen zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung thematisiert. Im Vordergrund des Feedbacks stehen vor allem Aspekte der Leistungserbringung. Der Eindruck, den andere von einem haben, wird allenfalls in Konfliktgesprächen Gegenstand einer offenen Rückmeldung. Daher möchte ich Ihnen am Ende dieses Artikels gern eine Methode vorstellen, mit der Sie die wechselseitige Fremdwahrnehmung in Ihrem Team transparenter machen können – ohne möglicherweise verletzende Konfrontationen. Doch zuvor noch einige Tipps und Anmerkungen zu einem individuellen Umgang mit der Problematik.

Selbst- und Fremdwahrnehmung überdenken

Obwohl es wichtig ist, sich über mögliche Diskrepanzen zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung bewusst zu sein, wäre falsch und auch ziemlich unpraktisch, nun ständig über die eigene Außenwirkung nachzudenken.  Gelegentlich – und vor allem, wenn es mit den KollegInnen hakt –  sollte sich aber jede/r ein wenig Zeit für eine Selbstreflexion nehmen. Helfen können dabei die folgenden Fragen, die man sich ehrlich (!) beantworten sollte:

  • Wie erlebe ich mich selbst?
  • Wie könnte ich auf andere (auch bestimme Personen) wirken?
  • Woran erkenne ich, dass meine KollegInnen/Vorgesetzten mich anders wahrnehmen als ich mich selbst?

In einem weiterführenden Schritt sollte man sich auch Gedanken darüber machen, wie sich Selbst- und Fremdwahrnehmung besser zur Deckung bringen lassen.

  • Wie möchte ich von anderen wahrgenommen werden?
  • Was kann ich tun, um von anderen so wahrgenommen zu werden, wie ich es möchte?

Typische Wahrnehmungsdifferenzen

Es gibt einige Muster von Wahrnehmungsdifferenzen, die sich in Teams häufig wiederholen:

Ich erlebe mich als… Die anderen erleben mich als…
Präzise, analytisch, kritisch, hinterfragend Übergenau, steif, ablehnend, misstrauisch
Freundlich, mitfühlend, wohlwollend, geduldig Schwach, abhängig, leicht auszunutzen, willenlos
Dynamisch, überzeugend, begeistert, expressiv Hektisch, nervig, überdreht, unzuverlässig
Willensstark, durchsetzungsfähig, entschlossen, zielstrebig Despotisch, dominant, aggressiv, furchteinflößend
Sachorientiert, gut informiert, kompetent gleichgültig, besserwisserisch, überheblich
Gesellig, kooperativ, integrierend, kommunikativ aufdringlich, neugierig, übergriffig

Ebenso kann die Wahrnehmungsdifferenz natürlich auch in die andere Richtung laufen. Was man selbst an sich als negative Eigenschaft oder Verhaltensweise erlebt, kann von anderen sehr positiv aufgefasst werden. Wer sich z.B. selbst für zu hektisch und voreilig hält, wird von den KollegInnen vielleicht als Treiber oder Energiebündel sehr geschätzt.

Wechselseitige Fremdwahrnehmung – eine Methode für das Team-Feedback

Wann hat man schon die Gelegenheit herauszufinden, was die TeamkollegInnen so über einen denken? Welche Eigenschaften sie einem zuschreiben, wie sie die Zusammenarbeit erleben. Kaum jemand würde es wohl ablehnen, darüber mehr zu erfahren. Doch wenn es um persönliche Zuschreibungen geht, landet man leicht auf dünnem Eis. Feedbackrunden, in denen sich gegenseitig alle mal eben so sagen, wie sie sich finden, sind nicht ratsam und können böse, sehr böse enden. Besser ist es, hier methodisch abzupuffern, also: maximale Ehrlichkeit bei minimalem Beleidigungsrisiko. Dazu empfiehlt sich das folgende Vorgehen für ein „vermitteltes Feedback“:

  • Sorgen Sie für mind. 30 störungsfreie Minuten.
  • Teilen Sie Ihr Team in zwei gleich große Gruppen.
  • Stellen Sie dazu zwei räumlich getrennte Arbeitsbereiche zur Verfügung.
  • Jeder Teilnehmer erhält einen Schreibblock und einen Stift.
  • Nun wechseln zwei Teilnehmer die Gruppe und befragen die Mitglieder der jeweils anderen Gruppe nach ihrer Wahrnehmung zu einer bestimmten Person.
  • „Wie nimmst Du XY in der Zusammenarbeit wahr?“ „Welche positiven / welche negativen Eigenschaften charakterisieren XY?“
  • Die Gruppenmitglieder werden nicht einzeln, sondern gemeinsam befragt, so dass ein Austausch über die Wahrnehmung von XY stattfindet. Die Antworten werden notiert.
  • Nach ca. fünf Minuten kehren die Teilnehmer in ihre Gruppe zurück und zwei andere Kollegen tauschen ihre Plätze.
  • Es werden so viele Runden durchgeführt, bis jeder einmal seinen Platz gewechselt und das Feedback der anderen aufgenommen hat.
  • Abschließend werden Paare gebildet, die sich gegenseitig die eingesammelten Fremdwahrnehmungen zu ihrer Person als Feedback geben. Hierbei sollen die gängigen Regeln wie z.B. ein respektvoller Umgang eingehalten und die Rückmeldung so vermittelt werden, dass es dem Gegenüber leichtfällt, diese anzunehmen.
  • Das Feedback wird nicht in der großen Runde vorgelesen oder gar diskutiert, sondern verbleibt im Vier-Augen-Gespräch. Es wird auch nicht notiert, wer was zu einer Person gesagt hat.

Das Vorgehen klingt in der Beschreibung komplizierter als es in der Durchführung ist, daher zur Verdeutlichung ein Beispiel:

Das Team besteht aus 8 Mitgliedern: Anna, Bert, Carolin, Dieter, Emma, Frank, Greta und Hugo. Die ersten vier gehen nun in den Konferenzraum, während die anderen vier in ihrem Teambüro bleiben. A und E wechseln die Räume, alle anderen bleiben am Platz. A befragt F, G und H gemeinsam nach ihrer Wahrnehmung von B. Gleichzeitig befragt E die Kollegen B, C und D nach ihrer Wahrnehmung von F. Anna und Emma notieren das Feedback und gehen zu ihren Gruppen zurück. Nun tauschen Bert und Frank die Plätze. B befragt E, G und H zu der Kollegin A. F befragt unterdessen A, C und D zur Kollegin E. In der nächsten Runde befragt Carolin die Mitglieder der anderen Gruppe zu D, und Greta stellt Fragen zur Wahrnehmung von H. In der letzten Runde werden E, F und G von Dieter zu C befragt, während Hugo von A, B und C Feedback zu G einholt. Nun sitzen alle Teilnehmer wieder in den Ausgangsgruppen und es ergeben sich die folgenden Feedback-Paare: Anna und Bert, Carolin und Dieter, Emma und Frank sowie Greta und Hugo vermitteln sich gegenseitig die notierten Rückmeldungen.

Auf diese Weise erhält jeder Teilnehmer das Feedback von drei TeamkollegInnen. Da dies vermittelt in Vier-Augen-Gesprächen geschieht und jeder auch die Rolle des Feedbackgebers einnimmt, sind verletzte oder beleidigte Reaktionen kaum zu erwarten. Auch werden direkte persönliche Konfrontationen vermieden – der „Feedbackgeber“ gibt nicht seine eigene Wahrnehmung, sondern die der befragten KollegInnen wieder – , die bei anderen Feedbackverfahren nicht selten zu lang anhaltenden Missstimmungen im Team führen.  Jeder weiß nun Einiges mehr darüber, wie er oder sie von den anderen KollegInnen gesehen wird und kann schauen, welche Diskrepanzen zur Eigenwahrnehmung bestehen oder auch, in welche Richtung die Außenwirkung ggf. verändert werden soll.

Ich habe bisher gute Erfahrungen mit der Durchführung dieser Methode gemacht und wünsche Ihnen viel Spaß beim Ausprobieren! Wenn Sie mögen, teilen Sie gern Ihre Erfahrungen mit. Und wenn Sie weitere Tipps, Hinweise oder Anmerkungen zum Thema Selbst- und Fremdwahrnehmung haben, freue ich mich natürlich auch wieder über Kommentare und persönliche Nachrichten.

Quelle Foto: @crescendo – Fotolia.com

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