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Wohin mit dem Ärger? Selbstregulation in Konflikten, Teil 1




 

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Souverän, gelassen, konstruktiv – wie schön wäre es doch, jedem Konflikt im Job (und nicht nur dort) auf diese Weise begegnen zu können. Oftmals klaffen jedoch Anspruch und Realität auseinander, und an die Stelle des sachlichen Austauschs von Argumenten treten Wut, Ärger und Aggressionen. Ich weiß, wovon ich schreibe, denn gerade in jüngeren Jahren war ich in Konfliktsituationen ziemlich leicht entflammbar. Da flogen schon mal Tacker durchs Büro, und in Gedanken habe ich etliche Autoreifen zerstochen. Mit zunehmendem Alter (und wachsender Erfahrung) ist die Zündschnur zwar deutlich länger geworden, doch es gibt gelegentlich immer noch Situationen, in denen meine Impulskontrolle besser sein könnte, Stichwort „Behörden“, nur mal so zum Beispiel.

Ein wenig seltsam ist es schon: Geraten andere Parteien – Kolleg*innen oder Mitarbeiter*innen etwa – in einen Streit, so fällt es mir leicht, ruhig zu bleiben und zu vermitteln oder den Konflikt so zu moderieren, dass die Beteiligten eine konstruktive Lösung finden. So ergeht es vielen Führungskräften. Es wird ja auch erwartet, dass sie bei Konflikten im Team einen kühlen Kopf bewahren und die Situation professionell managen. Das gehört zu den Basics der Führungskompetenz. Doch wenn man selbst in einen Konflikt involviert ist, ist es mit Ruhe und Abgeklärtheit oft schnell vorbei.

Kein Konflikt ohne Emotionen

Konflikte rufen spezifische Emotionen hervor: Ärger, Zorn, Wut, Empörung, Enttäuschung, manchmal auch Angst, Trauer oder Scham. Konflikte zu managen bedeutet immer auch Gefühle zu managen, denn die durch sie aufgestaute Energie muss ja irgendwo hin. Tacker werfen oder im Büro herumzubrüllen sind keine probaten Optionen, zumal sich die Emotionskultur immer mehr in Richtung Coolness bewegt. Als überlegen gilt, wer Provokationen und Beleidigungen an sich abperlen lässt und seine Kontrahenten kalt abserviert, statt sich aufzuregen und das auch noch zu zeigen.

Wenn aber die Emotionen in der konfliktären Interaktion keinen Platz finden, bleibt als Alternative nur ihre Unterdrückung. Diese Form der emotionalen Selbstkontrolle (oder: Selbstbeherrschung) ist in der konkreten Situation meist sehr hilfreich. Auf Dauer macht das „Runterschlucken“ jedoch krank. Und Gefühle, die kurzzeitig unterdrückt werden, sind damit nicht einfach verschwunden. Wie oft ärgern wir uns noch tagelang über eine Auseinandersetzung, obwohl es uns in der konkreten Situation gelungen ist, den Ärger nicht zu zeigen? Deshalb ist es wichtig, sich eine Strategie der Selbstregulation zu erarbeiten.

Selbstregulation vs. Selbstkontrolle

Während die Selbstkontrolle darauf hinausläuft, die eigenen Emotionen im Konfliktfall zu unterdrücken, geht es bei der Selbstregulation darum, die eigene Wahrnehmung zu steuern und immer wieder neu auszurichten. Selbstkontrolle ist restriktiv, sie arbeitet mit Verboten. Selbstregulation hingegen setzt auf Bedürfnisorientierung und Selbstmotivation.

Beide Formen des Umgangs mit den eigenen Gefühlen erfordern eine Willensanstrengung und Übung. Die Selbstregulation ist jedoch deutlich anspruchsvoller, da sie auf einer Arbeit an den eigenen inneren Prozessen beruht. Es geht nicht darum, unerwünschte und in der Situation hinderliche Emotionen kurzzeitig auszuschalten, sondern darum, das eigene innere Erleben anzunehmen, zu reflektieren und in situationsangepasstes Handeln zu übersetzen.

Die Aufmerksamkeit auf sich selbst richten

Die Grundlage jeder Selbstregulation ist daher die Umlenkung der Aufmerksamkeit auf sich selbst. Wenn wir uns in einer Konfliktsituation befinden, verengt sich unser Blickfeld: Wir sehen nur das Außen, konzentrieren uns völlig auf den Konfliktpunkt und ganz besonders auf unseren Konfliktpartner. Was mag er oder sie im Schilde führen? Ist die Person einfach nur blöd, verbohrt und unfähig oder dreist und hinterhältig? Sicher ist nur: wenn diese Person anders (z.B. „normal“) wäre und sich anders (z.B. „normal“) verhalten würde, gäbe es kein Problem und somit auch keinen Konflikt. Die Schuldigen sind immer die anderen – das ist die ewige Konstante des Konflikts.

Dieses Muster ist völlig normal, denn unser Gehirn wertet einen Konflikt wie einen Angriff, also ab in den Tunnelblick und volle Kraft auf die Abwehr! Für eine gelingende Selbstregulation aber braucht es Distanz, ein Heraustreten aus der Situation und eine Reflexion des eigenen inneren Erlebens.

In einer emotional aufgeladenen Situation den Fokus auf die eigene Person zu richten, ist nicht leicht. Es lohnt sich aber, dieses Vorgehen zu trainieren, denn die Selbstregulation ermöglicht nicht nur einen souveräneren, gesünderen Umgang mit Konfliktsituationen, sondern trägt auch zu einer effektiveren Lösung von Konflikten bei.

Sofort starten!

Mit einem solchen Training kann man jederzeit starten. Der erste Schritt dazu ist die Selbstbeobachtung. Beobachten Sie, wie Ihre ersten Impulse in Konfliktsituationen aussehen. Gibt es Muster, die sich wiederholen? Wie gehen Sie in Konflikte hinein? Welche Emotionen lösen Konflikte bei Ihnen aus? Welchen Anteil haben Sie an der Eskalation von Konflikten?

Diese (zunächst unsortierte) Selbstbeobachtung können Sie zum Auftakt nehmen für ein gezieltes Trainingsprogramm. Wie ein solches Programm aufgebaut werden kann, erfahren Sie in Teil 2 dieses Beitrags. Dort werde ich mich der praktischen Seite der Selbstregulation zuwenden und mögliche Schritte für ein wirksames Selbst-Coaching vorstellen.

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Für einen tieferen Einstieg:

Das Konzept der Selbstregulation nach dem ZRM (Zürcher Ressourcen Modell) geht zurück auf die Psychologin und Psychoanalytikerin Maja Storch. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Julia Weber stellt sie das Konzept und die dahinter stehenden wissenschaftlichen Theorien in einem Überblicksartikel vor:  Weber J., Storch M. (2019) Selbststeuerung – aber bitte richtig und gesund! Selbstregulation mit Motto-Zielen des Zürcher Ressourcen Modells. In: Rietmann S., Deing P. (eds) Psychologie der Selbststeuerung. Springer VS, Wiesbaden.

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