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Im Haifischbecken darfst du nicht bluten!




 

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Als ich den Haifischbecken-Spruch neulich beim Lunch am Nebentisch hörte, war mein spontaner Gedanke: Boah, was für Macker-Allüren! Da saßen drei gut aussehende Endzwanziger über ihren Edelfisch-Ravioli und übertrafen sich gegenseitig mit ihren Stories über Härte und Unverwundbarkeit im Job. Es sprudelten altbekannte Klischees, Knabenblütenträume über männliche Tugenden und jede Menge hinderliche Glaubenssätze hervor – nichts also, was in diesem Setting ungewöhnlich wäre.

Während der Kellner meinen Espresso brachte, nahm das Gespräch am Nebentisch jedoch eine Wendung. Plötzlich ging es nicht mehr nur darum, eigene Schwächen zu verbergen und ohne tiefere Bisswunden das nächste Karrieretreppchen im Haifischbecken zu erklimmen. Die drei Herren tauschten nun freudig Tipps und Tricks dazu aus, wie man  – mal mehr und mal weniger elegant – die eigenen KollegInnen am besten zu Fischfutter verarbeitete.

Aggro im Job?!

Euphemistisch nennt sich das dann „konstruktiver Einsatz der natürlichen Aggression“. Das ist jetzt wirklich kein Witz, denn tatsächlich gibt es eine ganze Riege von Managementberatern und –trainern, die genau das zu ihrem Geschäftsmodell gemacht haben. Vorreiter auf diesem Gebiet ist Jens Weidner, Professor für Erziehungswissenschaften und Kriminologie an der HAW Hamburg. Die Neuauflage seines recht bekannten Ratgebers „Die Peperoni-Strategie“ veranlasste Bild.de im Frühjahr 2011 zu der hübschen Headline „Seien Sie doch mal aggro im Job!“ Wunderbar. Das Buch liest sich dann auch wie eine Anleitung zum professionellen Mobbing. Wer sich im Job durchsetzen will, sollte nach Meinung des Autors gezielt falsche Emotionen einsetzen, andere hintergehen, anschwärzen, täuschen, ausnutzen, austricksen. Da hilft es auch nicht, dass Weidner seine Leserschaft ermahnt, mit der Kunst der Machtspielchen nur den „Richtigen“ zu schaden – und nicht den armen Lämmchen, die einem sowieso nicht in die Quere kommen.

Aggressiverer Umgang = bessere Leistung?

Mit solchen Thesen lässt sich offenbar Kasse machen. Wie kommt das? Sind unsere Unternehmen, sind unsere Führungsetagen, wirklich bevölkert von Duckmäusern und Harmoniesüchtigen? Die nämlich spricht Weidner direkt als seine Klientel an. Sicher begegnen einem immer wieder ManagerInnen, die fälschlicherweise versuchen, es allen recht zu machen. Sicher gibt es konfliktscheue Chefs und Mitarbeiter und ganz sicher ist es den meisten Menschen nicht egal, ob andere sie mögen oder nicht. Aber mal angenommen, der konfliktscheue Abteilungsleiter würde wie empfohlen plötzlich Wutausbrüche inszenieren und seinen Stellvertreter vor versammelter Mannschaft runterputzen – würde dies seine Leistungen als Vorgesetzter verbessern? Wohl eher nicht. Und jeder, der schon einmal in einer Umgebung gearbeitet hat, in der ausgefahrene Ellenbogen, Misstrauen und aggressive Rhetorik die Kultur bestimmen, weiß, dass die Produktivität dort einen grandiosen Sinkflug hinlegt.

Mag sein, dass „aggro“-Verhalten im Job dem eigenen Vorankommen nützt – kurzfristig jedenfalls. Skrupellose Egoisten, die Hinterhältigkeit mit Durchsetzungsstärke verwechseln und Wettbewerbe im Taktieren austragen, sind für ein Unternehmen und seinen Erfolg aber tödlich.

Die nackte Angst

Weidner und Co. behaupten, mit etwas mehr Boshaftigkeit im Alltag könne man zudem noch etwas für seine „Psychohygiene“ tun, so nach dem Motto: „psychische Gesundheit durch schlechte Taten“. Das klingt nach gutem Marketing. Meine Erfahrung ist eine andere. Gerade diejenigen, die sich als besonders „hart“ gebärden, werden oft von tiefen Selbstzweifeln und Ängsten geplagt. Die Härte ist das Korsett, das die Person zusammenhält. Darunter sitzt nicht selten die nackte Angst. Dass Angst ein weit verbreitetes Phänomen unter ManagerInnen ist, wissen wir aus zahlreichen organisationssoziologischen Studien (zusammenfassend dazu Helena Flam (2000): The emotional man…). Es ist die Angst vor Verantwortung, vor dem Versagen, vor „falschen“ Entscheidungen und vor mangelnder Loyalität der MitarbeiterInnen, die den Alltag vieler Führungskräfte begleitet. Aus dieser Angst resultieren wiederum andere negative Emotionen wie Scham, Misstrauen oder Neid.

Wenn unerwünschte Gefühle weggedrückt werden, treten sie in der Regel an anderer Stelle und in anderer Form wieder zu Tage. Kommunikationsprobleme, fehlende Authentitzität und mangelndes Vertrauen können aus emotionalen Blockaden resultieren und in einen Teufelskreis führen. Das ist aus meiner Sicht das eigentliche Problem im Haifischbecken. Und da helfen Aggressionsstrategien nun wirklich nicht weiter. Die schlichte Einteilung in „Freund“ und „Feind“ geht an der beruflichen Wirklichkeit genauso vorbei wie die archaische Kampfrhetorik meiner drei Tischnachbarn. Echtes Standing ist, wenn man Schwächen zulassen und zugeben kann – egal auf welcher Hierarchiestufe. Und gegen Angriffe helfen Gelassenheit, gesunder Menschenverstand und Professionalität.

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Quelle Foto: © Michael Rosskothen – Fotolia.com

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