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Durchtrainiert – wo weniger mehr ist




 

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Was haben Cristiano Ronaldo, Mats Hummels und Neymar da Silva Santos Jr. gemeinsam? Richtig: Das sind knackige Kerle mit perfekt durchtrainierten Körpern. Hartes Training hat hier ansehnliche Sixpacks geformt und sorgt auch sonst dafür, dass die drei auf dem Platz eine ziemlich gute Figur machen. „Ja“, möchte man da sagen, „viel hilft eben viel“. Was auf dem Fußballplatz gilt, trifft allerdings in anderen Bereichen nicht unbedingt zu. Eher im Gegenteil: Nicht selten treffe ich in meinem beruflichen Alltag auf Menschen, die „übertrainiert“ wirken.

Da sind z.B. die BewerberInnen, denen man die einschlägigen Trainings schon beim Hereinkommen anmerkt. Unsicherheit wird mit aufgesetzten Floskeln und eingeübten Gesten kaschiert. Gerade bei den unter 30-Jährigen fällt mir auf, dass Bewerbungstrainings zu teils stereotypen Verhaltensformen und Aussagen führen. Da werden Antworten gegeben auf Fragen, die ich gar nicht gestellt habe – einfach weil diese Antworten zu dem erwarteten Ritual gehören, das die KandidatInnen als „Vorstellungsgespräch“ trainiert haben und nun glauben, unbedingt unterbringen zu müssen. Unbedingt untergebracht werden müssen, so mein Eindruck, neuerdings auch Fragen zu Themen die zur medial hochstilisierten „Generation Y“ angeblich einfach dazu gehören. Den Klassiker „Wie sieht es in Ihrem Unternehmen mit der Work-Life-Balance aus?“ habe ich bislang nur von Kandidaten zu hören bekommen, die eigentlich noch nicht so wirklich viel „geworkt“ haben. Und bei der Rückfrage „Was genau meinen Sie damit?“ habe ich mehr als einmal in deutlich ratlose Augen geschaut.

Ein anderes Beispiel sind Führungskräfte, die ein Seminar nach dem nächsten absolvieren – und an deren Verhalten sich ablesen lässt, welchen Kurs sie zuletzt besucht haben. Der Chef stellt plötzlich komische Fragen wie „In welchen drei zukünftigen Situationen wird die Veränderung, die Sie in Ihrer Abteilung erfahren haben, für Sie von Relevanz sein?“ Alles klar: Der Kurs hieß vermutlich „Die Führungskraft als Coach“. Die Chefin lässt Sie plötzlich ausreden, schließt im Meeting die Augen und atmet tief durch, bevor sie Ihre Vorschläge vom Tisch wischt. Dann hat sie wahrscheinlich ein Seminar genossen, das „Gelassen gewinnen“ heißt. Ich hatte vor einiger Zeit auf Kundenseite mit einem Manager zu tun, der eine NLP-Ausbildung besuchte und fortan unsere Gespräche unablässig mit Pacen und Leaden bereicherte. Auch aus Gesprächen mit Einkäufern und Vertrieblern habe ich viele Beispiele sammeln können, die den Schluss nahelegen, dass man es mit dem Trainieren auch ganz schön übertreiben kann.

Ich denke, dass es wichtiger ist, seinen eigenen (Führungs-)Stil zu finden als (Trainings-)Moden hinterherzulaufen. Dazu gehört auch etwas Eigensinn. Fußballstar Thomas Müller, der sich selbstironisch „Mann ohne Muskeln“ nennt, ist für mich ein passendes Beispiel. Müller kommt ganz ohne einstudierte Jubelszenen und divenhafte Aufritte à la Ronaldo aus – er macht einfach die Tore.

Das Fazit, das ich allen BewerberInnen, ManagerInnen, MitarbeiterInnen nahelegen möchte, lautet daher: Sei einfach Du selbst – alle anderen gibt es schon (Oscar Wilde).

Quelle Foto: © rangizzz – Fotolia.com

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