Totem und Tabu – Projektmanager als Zeremonienmeister
14. April 2008
Ich gebe es zu, die Überschrift klingt etwas reißerisch. Das hat aber einen Grund. Als Soziologin erlebe ich im IT-Umfeld neben dem wachsenden Interesse an „social skills“ immer wieder auch Verlegenheit, Distanz und Skepsis, wenn es um die emotionalen Seiten des Projektmanagements geht.
Mein Vorschlag, Rituale im Projektmanagement einzusetzen, ruft nicht selten Erstaunen, manchmal aber auch blankes Entsetzen hervor. „R-i-t-u-a-l-e? Um Gottes willen, wir sind schließlich zum Arbeiten hier und nicht zum Voodoo-Puppen basteln oder Weihrauch schwenken.“ „Eben drum“, sag ich dann. Was in der Magie, Religion, der Politik, der Kunst, dem Sport, kurzum: in allen Lebensbereichen, bestens funktioniert, sollte doch wohl auch in der Projektarbeit zu gebrauchen sein. Tatsächlich ist der Projektalltag durchzogen von Ritualen – nur sind sie uns meist gar nicht mehr als solche bewusst. Begrüßungen und Kaffeepausen, Meetings und Präsentationen sind Beispiele dafür.
Rituale sind letztlich nichts weiter als sozial geregelte, kollektiv ausgeführte Handlungsabläufe, in denen Ereignisse, Situationen, Vorstellungen usw. symbolisch vermittelt werden. Bewusst eingesetzt, aktivieren Rituale die Gefühlsebene und lenken die Emotionen der Beteiligten in bestimmte Bahnen. Und das macht besten Sinn, wenn man Wert auf ein gutes Arbeitsklima, eine produktive Stimmung und motivierte Mitarbeiter/innen legt.
Man muss nicht gleich zum Zeremonienmeister werden, wenn man Rituale in die Projektpraxis einführen möchte. Es bedarf auch keiner großen Inszenierung, um viel zu bewirken. Man sollte lediglich darauf achten, dass alle Beteiligten Freude am Mitmachen haben, dass keine Person isoliert wird und niemandem private Investitionen (Zeit, Geld) abverlangt werden. Ebenso wichtig ist natürlich, dass das Ritual zum Projekt, zum Team und zur aktuellen Situation passt und dass Sie als Projektmanager/in es auch glaubwürdig verkörpern können.
Einfache Rituale, die den Teamgeist fördern und für gute Laune sorgen sind z. B.:
Red Flag: Hier geht es um die Visualisierung von (auch kleineren) Erfolgen. Markieren Sie Fortschritte, unkonventionelle Lösungen, erfolgreiche Meetings usw. auf dem Projektplan mit roten Fähnchen. Um den Erfolgen ein Gesicht zu geben, können dazu jeweils Fotos der verantwortlichen Mitarbeiter/innen auf den Charts befestigt werden.
Applaus, Applaus: Hier geht es um Annerkennung und Stolz auf Erreichtes. Statten Sie Ihr Team (bzw. in größeren Projekten kleine Untergruppen) mit einem Satz Papptafeln aus, die mit unterschiedlichen Ausdrucksformen von Wertschätzung beschriftet sind. Beispiele dafür sind „tosender Applaus“, „Fußtrampeln“ oder „Schulterklopfen“. Möchte ein Teammitglied für eine Leistung so richtig gefeiert werden, wählt sie eine entsprechende Papptafel aus und das Team spendet die gewünschte Anerkennung.
Kriegstanz: Hier geht es um Ermutigung und Zuversicht. Finden Sie mit Ihrem Team einen festen Handlungsablauf, den Sie immer dann ausführen, wenn eine schwierige Situation ansteht. Als Vorbereitung auf den „Kampf“ kann man z. B. wie im Fußball einen Kreis bilden und sich eine Beschwörungsformel aufsagen. Oder man tut es den Boxern gleich, die sich von einem Song in ihr Match begleiten lassen. Mir persönlich gefällt der Haka sehr gut. Das ist ein ritueller Tanz, den die neuseeländische Rugby-Nationalmannschaft vor jedem Spiel aufführt, um sich in Siegesstimmung zu bringen. Davon kann man z. B. gemeinsam einen Videoausschnitt anschauen. Natürlich ist es auch möglich, einen eigenen „echten“ Kriegstanz zu erfinden – vorausgesetzt alle Teammitglieder haben Spaß daran und niemandem ist die Sache peinlich.
Quelle Foto: © plus69free – Fotolia.com
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