„Verrückte Kollegen?“ Struktur rangiert vor Psyche
30. August 2011
Kommt Ihnen das Verhalten Ihrer KollegInnen gelegentlich etwas rätselhaft vor? Oder haben Sie mitunter sogar den Eindruck, als hätte da jemand – sagen wir es ruhig mal umgangssprachlich – „nicht mehr alle Tassen im Schrank“? In solchen Fällen kann es sich lohnen, nicht vorschnell mit psychologischen Vermutungen zu operieren, sondern einen Blick auf die Strukturen zu werfen, in denen sich die betreffende Person bewegt. In meiner Projektpraxis habe ich dies schon häufig erlebt. Hier ein Beispiel:Herr A., Projektmitarbeiter, führt in der Projektsitzung des Projektes 3 eine angeregte Diskussion über alternative und ganz neue Wege zum Ziel. So sehr dies grundsätzlich auch zu begrüßen wäre – so kurz vor der finalen Abnahme der Software ist dieses Verhalten doch reichlich seltsam. Nach der Sitzung habe ich einige andere Projektmitarbeiter nach ihren Eindrücken befragt. Die Reaktionen auf das gezeigte Verhalten von Herrn A. waren: Betroffenheit, Verständnislosigkeit, Wut über die Zeitverschwendung etc. Alle Rückmeldungen aus dem Team waren emotional negativ aufgeladen.In einem anschließenden Gespräch habe ich Herrn A. mit seinem Verhalten konfrontiert. Das Ergebnis war, dass ich die gleichen Argumente zu hören bekam, die ich bereits aus besagter Projektsitzung kannte. Nach dem Gespräch war ich geneigt, den Kollegen in eine ganz bestimmte Schublade zu stecken, abzuschließen und den Schlüssel weit weg zu werfen, denn der Kollege musste offensichtlich einen Schaden haben. Zum Glück habe ich jedoch zuvor einen anderen Kollegen getroffen, der mir die Information gab, dass Herr A. von seinem Chef aus der Linie 1 ein Ziel bekommen hatte, dass den Termin für die Endabnahme verschieben sollte. Das scheinbar „verrückte“ Verhalten des Projektmitarbeiters hatte also einen durchaus rationalen Hintergrund. Nach einem Telefonat mit einem wichtigem Stakeholder des Projektes und einem weiteren Gespräch mit dem Chef der Linie 1 hatte sich das Verhalten von Herrn A. schließlich schlagartig verbessert.
Daher mein Tipp: Begegnen Sie scheinbar irrationalem Verhalten von Mitarbeitern zunächst mit einer Prüfung der Struktur hinsichtlich der kommunikativen und organisatorischen Verknüpfungen. Vielfach werden sich rationale Gründe finden – und abstellen – lassen.
Bildquellen: setzwein IT-Management GmbH; Foto oben: © Cora Müller – Fotolia.com
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