Das Eigenfeedback
16. Oktober 2013
In meinem alltäglichen Leben als Projektmanager begegne ich ständig Menschen, die Wahrheit nicht von Gewissheit unterscheiden und ihre Gewissheiten für wahr halten. Dabei ist diese Tatsache an sich nicht weiter verwunderlich, wissen wir doch spätestens seit Watzlawick, dass sich jeder seine eigene Wirklichkeit konstruiert. Und nicht ohne Grund haben seit Decartes gleich mehrere große Philosophen, von Schopenhauer über Spinoza bis hin zu Wittgenstein und Lay einen großen Teil ihrer Arbeit der Erkenntnistheorie gewidmet. Verwunderlich ist eigentlich nur, dass es zumeist die gleichen Personen sind, die ihre Gewissheiten für wahr halten und sich (zu) wenig um ehrliches Feedback kümmern, um ihre Gewissheiten auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen.
Dabei gibt es diverse Möglichkeiten sich Feedback einzuholen, auch als Vorgesetzter. Allseits bekannte Möglichkeiten sind das Mitarbeitergespräch, das 360°-Feedback oder der sogenannte Mood-Poker, bei dem jeder Mitarbeiter seine innere Verfassung zum Ausdruck bringen kann, ohne dabei auf jemanden zeigen zu müssen.
Bei der Suche nach weiteren Methoden und Möglichkeiten, Feedback einzuholen und Feedback zu geben, bin ich über einen Artikel des Coaches Martin Wehrle gestolpert. Seine Methode möchte ich in diesem Artikel kurz beschreiben. Ihm geht es darum, eine weitere, wichtige Feedbackquelle zu nutzen: Sich selbst!
Wehrle schlägt Folgendes vor:
- Zu Beginn des Vorhabens, sei es ein Projekt, ein wirtschaftliches Vorhaben oder Ähnliches, wird in allen Details, inklusive der Annahmen und Gewissheiten, aufgeschrieben, was erwartet wird: Welche Voraussetzungen werden angenommen? Welche Ergebnisse, welche Reaktionen und Verhaltensweisen der Mitarbeiter etc. werden erwartet?
- Auf diese Weise entsteht eine schriftliche Prognose über den Verlauf des Vorhabens.
- Nach Ende des Vorhabens vergleicht man: Was hat sich bewahrheitet? Wo hat man sich getäuscht? Welche Gewissheiten haben sich als Wahrheit herausgestellt, welche sind Gewissheiten der Vergangenheit geblieben?
Diese Methode ist für jeden nutzbar und einfach anzuwenden. Um den eigenen Denkmustern auf die Spur zu kommen und nicht der Selbsttäuschung zu unterliegen, bietet es sich an, diese Methode innerhalb eines Coachings zu nutzen.
Wichtig und gleichzeitig Voraussetzung für eine entsprechende Lernkurve ist die (selbst)kritische Analyse:
- Warum hat man welche Sachverhalte und Zusammenhänge falsch eingeschätzt?
- Wie kann man Fehleinschätzungen in Zukunft verhindern?
Mithilfe dieser Methode lässt sich aufzeigen, wie sich die eigene Konstruktion im Laufe des Projektes verändert – aufgrund der notwenigen Adaption an die Wirklichkeit. Wieviel Anpassung vom Zeitpunkt der Prognose bis zum aktuellen Zeitpunkt notwendig war, ist ein Indiz dafür, wie gut man die Situation im Vorhinein einschätzen konnte, wie viel Wahrheit in den eigenen Gewissheiten steckte. Bei regelmäßiger Anwendung wird die Selbsteinschätzung trainiert und die kritische Auseinandersetzung mit sich selbst und den eigenen Gewissheiten gefördert. Dies wiederum fördert die (Selbst)sicherheit und ermöglicht realistischeres Planen von Projekten.
Ich freue mich über Feedback und wünsche viel Spass beim Ausprobieren.
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Quelle Foto: © Brad Pict – Fotolia.com
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