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Paravent Feedback




 

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Mal ehrlich – wer würde nicht gern Mäuschen spielen, wenn sich die KollegInnen oder Chefs über ihn/sie austauschen? Einfach mal hören, was so ganz ohne jedes Kalkül, ohne aufgesetzte Freundlichkeit oder eingeübte Feedbackregeln über einen gesagt wird. Ich meine damit nicht die Kategorie „Sensationen & Skandale“, sondern die unverblümte Rückmeldung z.B. zur Arbeitsleistung oder zum eigenen Führungsverhalten, Fragen wie: „Sag mal, würdest Du Dir den XY als Experte für BLA in Dein Team holen?“ und „Kannst Du Dir die XY als Bereichsleiterin vorstellen?“ oder „Glaubst Du, dass der XY als Projektleiter durchsetzungsfähig genug ist?“.

Um eine solche Rückmeldung zu erhalten, kann man

  • auf den Zufall warten
  • sich  in Büroschränken verstecken
  • sich in schlecht beleuchteten Treppenaufgängen auf die Lauer legen

Man kann aber auch gezielt ein sogenanntes Paravent Feedback arrangieren. Aufmerksam geworden auf diese Methode bin ich durch einen Artikel in einem Magazin für Führung und Personalentwicklung („Wirtschaft und Weiterbildung“, 05-14, S. 34ff.), in das ich gelegentlich hinein schaue. Dort werden zwei Managementtrainer vorgestellt, die das Paravent Feedback in ihren Führungsseminaren einsetzen. Zum Abschluss ihres zweitägigen Seminars setzen sich die beiden Trainer an einen Tisch und unterhalten sich darüber, wie jeder Teilnehmer während des Trainings auf sie gewirkt hat. Es entsteht eine Diskussion über das Auftreten der Person, ihre Führungsqualitäten, persönliche Potenziale und Verbesserungsmöglichkeiten. Die Diskussion ist offen, bei der Einschätzung des Teilnehmers besteht kein Einigungszwang zwischen den Trainern. Während sich die Trainer austauschen, sitzt die Person, um die es jeweils geht, mit im Raum – hinter einem hölzernen Paravent darf (und soll) mitgelauscht werden. Das ist für die Betreffenden nicht immer einfach, denn es besteht keine Möglichkeit, sich zu den Eindrücken und Vermutungen der Trainer direkt zu äußern. Der Drang, eine Verhaltensweise zu erklären, ein Missverständnis auszuräumen oder ein bestimmtes Auftreten zu rechtfertigen, muss unterdrückt werden. Das Procedere dauert pro Teilnehmer ca. 15 Minuten.

Ich finde das Format Paravent Feedback eine ziemlich gute Sache und denke, dass es sich auch jenseits von Seminarsituationen wunderbar einsetzen lässt. Während der Peer-Coachings, die wir in unserem Team regelmäßig durchführen, gehen wir auch schon sehr ähnlich vor: Nachdem der Fallgeber sein Problem geschildert und Verständnisfragen dazu beantwortet hat, verlässt er den Raum. Er setzt sich in Hörweite auf unser gemütliches rotes Sofa und folgt unserer angeregten Hypothesenbildung. Auch während der späteren Phase der Sammlung und Diskussion von Lösungsvorschlägung ist der Fallgeber nur Zuhörer. Insofern haben wir schon viel Erfahrung mit Paravent Feedback, wenn auch in einer etwas anderen Variante.

Ich könnte mir dieses Format auch in weiteren Kontexten sehr gut vorstellen, z.B.

  • in der Entwicklung junger Führungskräfte
  • als Teil des Rituals „Personalgespräch“
  • als Element der kollegialen Beratung
  • als Möglichkeit, die verschiedenen Perspektiven unterschiedlicher Abteilungen oder Statusgruppen eines Unternehmens zusammen zu bringen

Mit etwas Kreativität und Phantasie ist da sicher Vieles möglich. Ein paar Grundregeln sollte man jedoch beachten:

  • Es sollten max. 3 Personen am Austausch über denjenigen beteiligt sein, der das Feedback erhält
  • Derjenige, der das Feedback erhält, ist durch eine Wand von den anderen getrennt und darf nicht in das Gespräch eingreifen
  • Der Austausch muss themengebunden sein (es geht z.B. um die Wirkung als Führungskraft)
  • Der Austausch soll max. 15 Minuten dauern
  • Es besteht kein Konsenszwang, Einschätzungen dürfen verschieden sein
  • Es findet keine Beurteilung statt, sondern ein Austausch von Beobachtungen
  • Die Aussagen sollen möglichst positiv formuliert werden
  • kritisches Feedback soll so formuliert werden, dass es angenommen werden kann
  • Es sollen Verbesserungsmöglichkeiten und Chancen aufgezeigt werden

Das Paravent Feedback bietet den Vorteil, dass das Fremdbild, welches man erhält, umfassender ist als gewöhnlich. Dadurch, dass das Feedback indirekt erfolgt, kommen häufig mehr relevante oder auch überraschende Punkte zur Sprache. So wirkt das Paravent Feedback eher wie eine Beratung. Und die Gefahr, sich persönlich angegriffen zu fühlen, ist geringer als in einer Face-to-Face Situation. Dadurch fällt es leichter, das eigene Selbstbild zu erweitern.

Ich wünsche euch/Ihnen viel Spaß beim Ausprobieren.

Zum Weiterlesen:

 

Quelle Foto: © imaginando – Fotolia.com

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