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Funktionale Organisation: Totgesagte leben länger – aber warum?




 

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Funktionale Organisationen, hierarchisch strukturiert nach Bereichen wie Vertrieb, Marketing, Client-Entwicklung, Server-Entwicklung, Operations, Personal und Recht, gelten als nicht modern und können die Erfordernisse der Zeit nach Flexibilität und Geschwindigkeit von Unternehmen nur unzureichend abbilden. Obwohl diese Form der Unternehmensstrukturierung vollständig „out“ ist, findet sie sich in meiner Managementpraxis nicht nur bei gestandenen Versicherungen oder Banken, sondern überraschenderweise auch bei ganz frischen Startups, sobald sie eine gewisse Größe, etwa von 20 Personen, überschritten haben.

Etwas scheint geradezu magisch dafür zu sorgen, dass sich eine Organisation funktional ausdifferenziert. Für mich war und ist es hilfreich, über die Gründe dieses Organisationsverhaltens nachzudenken – denn nur wer eine Idee hat, welche Ursache dahinter steckt, kann die Organisation verstehen und sie zu einem veränderten Verhalten bewegen.

Ausschließen als Grund kann man sicher das Nichtwissen von anderen Organisationsmodellen. Der agile Hype und die Verbreitung von Ideen wie Holocracy und den Organisationsmodellen von bereits agilen Organisationen haben dafür gesorgt, dass ausreichend Wissen über Alternativen vorhanden ist.

Doch eine Organisation agil zu gestalten, ist nicht einfach. Auch wenn man sich noch so viele Beispiele anschaut, so gibt es keine Blaupause, nach der das Management „seine“ Organisation gestalten kann. Wie man die Organisation gliedert, hängt von vielen Parametern ab wie zum Beispiel den Produkten und Dienstleistungen, der Größe des Unternehmens, der notwendigen Innovationsgeschwindigkeit, der Geschwindigkeit der Konkurrenten, den eigenen Fähigkeiten in den unterschiedlichsten Bereichen und vielen weiteren Variablen. Eine Lösung zu finden ist also sehr individuell, dadurch mit Arbeit und Risiken verbunden, die das Management stark fordern und dessen Kompetenz und Mut benötigen. Die funktionale Organisation mit ihrer Blaupause macht das einfacher. Für mich ist dies der erste Grund, warum sie gewählt wird.

Eine funktionale Organisation ist in ihrer Gliederung sehr stabil, hat man die obersten Äste der Hierarchie wie Vertrieb und IT erst einmal definiert, so ergeben sich auch bei einem Wachstum des Unternehmens Veränderungen der hierarchischen Organisation nur in den unteren Ästen. Das hält Auswirkungen von Veränderungen lokal und macht Veränderung allgemein leichter, weniger Menschen sind betroffen. Eine agile Organisation hingegen ist im Wortsinne flexibel, passt sich ständig an und ist damit niemals fertig. Das macht einfach Arbeit und erfordert vom Management viel Erfahrung, Mut, Fleiß, die Fähigkeit zur Absorption von Unsicherheit und ein hohes Maß an analytischen und kommunikativen Fähigkeiten. Ein Management zu finden, das als Team diese Anforderungen erfüllt und die Last der ständigen Veränderung auf sich nimmt, ist nicht einfach. Für mich ist das der zweite Grund, warum sich die funktionale Organisation in vielen Unternehmen etabliert.

Menschen fühlen sich wohl in Gruppen und sie reden am liebsten mit den Kollegen, die ihnen am ähnlichsten sind. Das liegt am Thema (z.B. Server-Development) aber auch am Habitus (z.B. Schlabber-T-Shirt) und den bevorzugten Kommunikationsformen. So finden sich halt Gruppen wie Vertriebskollegen, Client-Entwickler, Tester, Marketing-Fachleute einfach „natürlich“ zusammen. Nichts ist einfacher, als diesen Gruppen einen Chef zu geben – und fertig ist die (funktionale) Organisation. So habe ich es selbst in Startups häufig gesehen und erlebt. Ein Management zu finden, das nun Gruppen von Menschen anders strukturiert, die Menschen zum Austausch bringt und deren Kommunikationen einen Sinn gibt (z.B. ein gemeinsames Produkt), so dass sie in dieser Gruppe arbeiten wollen, ist wiederum deutlich schwieriger, denn der scheinbar „natürliche“ Prozess der Bildung von Gruppen muss geleitet und teilweise auch durchbrochen werden. Auch dies ist ein ständiger Prozess, bei dem viele menschliche Hürden überwunden werden müssen. Dies sehe ich als Grund Nummer drei für das häufige Auftreten funktionaler Organisationen.

Wie wirken die drei Gründe in Ihrem Unternehmen aus, wer bringt die Kraft auf, diese zu überwinden? Wie haben Sie es geschafft, die magische „Anziehungskraft“ der funktionalen Organisation zu überwinden? Austausch und Anregungen sind wie immer willkommen!

Zum Weiterlesen:

Quelle Foto: @Sashkin – Fotolia.com

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