Eintracht als Organisationsprinzip
22. September 2016
Alle Professionen in einem Unternehmen unter einen Hut zu bekommen ist für mich immer wieder eine Herausforderung. Selbst wenn das Ziel gemeinsam und gleich ist, z.B. „wir wollen schneller entwickeln“ oder „wir wollen den Umsatz bei hoher Qualität um x Prozent steigern“, gelingt dies auf Anhieb selten. Zu unterschiedlich sind die Herangehens- und Sichtweisen der unterschiedlichen Professionen. Zum Beispiel wollen…
- Produktmanager gerne das Produkt komplett bestimmen, die Customer Care Abteilung und die Entwickler werden bei Produktdiskussionen möglichst außen vor gehalten.
- Projektmanager die Prozesse agil verändern, ohne die Bedürfnisse der Entwickler und der Qualitätssicherung zu hinterfragen.
- die Geschäftsführer Organisationsänderungen beschließen, ohne deren Wirkung bei verschieden Organisationseinheiten vorab zu testen.
Ich könnte die Liste der Beispiele noch endlos fortsetzen. Meiner Erfahrung nach macht das Streben einer Organisationseinheit oder Profession nach ihrer eigenen optimalen Arbeitsweise fast immer Probleme im Kontext des „großen Ganzen“. Ich habe Organisationen gesehen, in der sich alle fürchterlich anstrengen, ihrem gemeinsamen Ziel aber keinen Schritt näher kommen. Häufig hilft eine analytische Betrachtung nicht mehr, um dies zu erkennen. Mit Storytelling und kurzen Geschichten kann man dagegen häufig den Beteiligten die Augen öffnen. In diesem Kontext finde ich die folgende Fabel von Iwan Krylow unschlagbar prägnant und treffend:
Der Schwan, der Hecht und der Krebs
„Wenn zur Genossenschaft sich Eintracht nicht gesellt,
Ist’s mit dem Werke schlecht bestellt:
Es gibt nur Quälerei, und man bringt’s nicht zurecht.
Einst wollten Schwan und Krebs und Hecht
Fortschieben einen Karrn mit seiner Last
Und spannten sich davor zu drein mit Hast.
Sie tun ihr Äußerstes; er rückt nicht von der Stelle.
Die Last an sich wär’ ihnen leicht genug,
Allein der Schwan nimmt aufwärts seinen Flug.
Der Krebs kreucht rückwärts, und der Hecht strebt in die Welle.
Wer schuld nun ist, wer nicht, darüber hier kein Wort,
der Karren aber steht noch dort.“
(Iwan Krylow, russischer Fabeldichter, zitiert nach Projekt Gutenberg)
Eintracht bedeutet, die eigenen Vorstellungen zurückzustellen und einen gemeinsamen Blick auf das Ganze zu wagen. Passt man dann die jeweiligen Vorgehensweisen an, so bekommt man die Chance, den Karren von der Stelle zu bringen. Die Verpflichtung aller Professionen zur Eintracht als Organisationsprinzip steht also am Anfang jeden Organisationsprozesses, der den Karren aus dem Dreck ziehen soll.
Zum Weiterlesen:
- Storytelling: Vier Jagdhunde und hundert Hasen
- Zen-Geschichten
- Funktionale Organisation: Totgesagte leben länger – aber warum?
Quelle Foto: @Thaut Images – Fotolia.com
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