Angst-Epidemie: wie es gelingt, in der Krise die Nerven zu behalten
2. April 2020
Es ist schwierig vorherzusagen, welchen Verlauf die Corona-Pandemie weiter nehmen wird. Noch schwieriger ist es, die ökonomischen und gesellschaftlichen Folgen der gegenwärtigen Krise abzuschätzen. Niemand weiß, welche Auswirkungen die Krise auf das eigene Leben, auf die ganz persönlichen Lebensumstände haben wird. Diese massive Unsicherheit gepaart mit den sehr begrenzten Möglichkeiten, das Geschehen zu beeinflussen, macht viele Menschen nervös – auch jene, die sich sonst nicht so leicht aus der Ruhe bringen lassen.
Die Angst-Epidemie
Was wir derzeit erleben, ist eine parallele Entwicklung zweier Epidemien: Nicht nur das Corona-Virus breitet sich unkontrolliert weiter aus, auch Sorgen und Ängste grassieren nahezu ungebremst und greifen immer weiter um sich. Die Corona-Epidemie wird begleitet von einer Angst-Epidemie. Zu Beginn eines massenhaften Krankheitsausbruchs sind die Ängste erfahrungsgemäß am größten. Im Verlauf nimmt die Angst meistens ab, weil sich eine gewisse Gewöhnung einstellt und Menschen unter den veränderten Bedingungen neue Routinen entwickeln und sich so eine neue „Normalität“ etabliert. Man lebt dann mit den Einschränkungen und Risiken und arrangiert sich irgendwie. Es ist zu hoffen, dass dies auch in der aktuellen Krise geschieht. Absehbar ist das derzeit nicht.
Ambivalentes Verhalten in Krisen
Das menschliche Verhalten in Krisen ist ambivalent. Auf der einen Seite werden Werte wie Solidarität, Gemeinschaft und Humanität gestärkt. Wir erleben dies gerade sehr eindrucksvoll in Form vieler Hilfsaktionen und Initiativen. Auf der anderen Seite treten aber auch Gier und asoziales Verhalten stärker hervor, wie z.B. Corona-Partys, Hamsterkäufe oder die zahlreichen Versuche, aus der Not Anderer Kapital zu schlagen, zeigen. Welche Seite letztlich dominieren wird, hängt von vielen Faktoren ab. Sicher spielt die Dauer der Krise eine Rolle, die Versorgung mit wirklich lebenswichtigen Gütern, das Maß der Einschränkungen im Alltag. Was unbedingt zu verhindern ist, ist ein Ausbruch von Panik. Panik begünstigt Egoismus, Aggressionen und Konkurrenzverhalten. Und sie löst menschliches Herdenverhalten aus, das nur noch schwer zu stoppen ist. Wenn Panik um sich greift, besteht ernsthaft die Gefahr einer Erosion der gesellschaftlichen Ordnung, wie wir sie kennen. Deshalb ist es wichtig, der Entstehung von Panik entgegenzuwirken. Das kann jede und jeder in seinem Umfeld oder für sich allein tun.
Woran erkennt man, dass Ängste nicht mehr „normal“ sind?
Wer sich jetzt mit Sorgen und Ängsten plagt, ist in guter Gesellschaft. Den meisten geht es so, und das ist angesichts der Lage völlig normal und in Ordnung. Angst ist keine Panik. Angst kann sogar positive Effekte haben, z.B. kann sie ein Beschleuniger sein für Veränderungen, zu denen man sich zuvor nicht aufraffen konnte. Viele Unternehmen erleben gerade einen „Digitalisierungsschub“ und setzen Maßnahmen um, die zuvor nur halbherzig verfolgt wurden. Wenn man aber merkt, dass die Angst zu einer Belastung wird, sollte man unbedingt gegensteuern und sich ggf. auch professionelle Hilfe holen. Anzeichen dafür, dass Ängste nicht mehr im „normalen“ Bereich liegen, sind z.B.:
- Gedankenkarussell (die Gedanken kreisen mehr als die Hälfte des Tages um Sorgen und Ängste)
- Körperliche Reaktionen (Verspannungen, Unwohlsein, Schwindel, Übelkeit, Magendruck, Zittern, Herzrasen usw.)
- Gefühl der inneren Lähmung (fehlender Antrieb, Erstarrung, Unfähigkeit zu handeln)
- Verändertes Verhalten (sich gar nicht mehr raus trauen, Hamsterkäufe tätigen)
- Versuche, die Ängste mit Alkohol, Medikamenten oder Drogen zu bekämpfen
Was gegen Ängste hilft
Wer etwas gegen Nervosität und aufkeimende Panik tun möchte, kann sich dies mit einfachen und wirkungsvollen Mitteln tun:
(1) Angemessenes Informationsverhalten: Eine der größten Herausforderungen besteht derzeit darin, die Bedrohungen durch die Corona-Pandemie weder zu überschätzen, noch sie zu unterschätzen. Es ist daher sinnvoll, das eigene Informationsverhalten an die Lage anzupassen. Nutzen Sie ausschließlich seriöse Quellen zur Informationsgewinnung. Reduzieren Sie Anspannung und Belastung, indem Sie die eigene Medienexposition konsequent reduzieren. Also: keine permanenten Push-Nachrichten, keine andauernde Recherche zu Corona, kein ständiger Austausch mit anderen zu dem Thema. Informieren Sie sich stattdessen 1 bis 2 Mal täglich gezielt bei einer zuverlässigen Quelle gezielt.
(2) Identifikation von Stressoren: Viele fühlen sich zur Zeit allgemein unwohl und angespannt. Schauen Sie deshalb genau hin, was Sie derzeit am meisten stresst. Sind es die grausigen Bilder in den Nachrichten? Ist es die erzwungene häusliche Nähe? Ängstigen Sie weggebrochene Einnahmen? Oder sorgen Sie sich um die eigene Gesundheit? Wenn Sie herausgefunden haben, welche Stressoren Sie in welchen Situationen am meisten belasten, können Sie Abhilfe schaffen. Stellen Sie fest, welchen Einfluss Sie selbst jeweils auf die Situation haben und entwickeln Sie passende Lösungen. Wenn Situationen Sie unter Druck bringen, die Sie selbst nicht ändern können, so können Sie immer noch Ihre innere Haltung dazu beeinflussen. Das ist ein mächtiges Instrument.
(3) Konzentration auf (produktive) Aktivitäten: Das beste Mittel gegen Schockstarre und kreisende Gedanken ist Aktivität. Konzentrieren sie sich auf Tätigkeiten, bei denen Sie Ergebnisse erzeugen, setzen Sie sich Ziele, strukturieren Sie Ihren Alltag. Viele Menschen stresst in Krisen vor allem das Gefühl, nichts tun zu können. Indem Sie Aktivität entfalten, erleben Sie sich als handlungsfähig und vermindern das Gefühl, der Lage ohnmächtig ausgeliefert zu sein.
(4) Negative Gedanken abwehren: Wenn sich Sorgen und Ängste melden, ist es hilfreich, die eigenen Gedanken zu entkatastrophisieren. Schauen Sie immer wieder „Was ist jetzt?“ Es nutzt wenig, sich die Zukunft in den düstersten Farben auszumalen. Stattdessen stellen Sie sich bei belastenden Gedanken zwei Fragen:
- Entspricht dieser Gedanke (oder dieses Bild) den Tatsachen?
- Hilft mir dieser Gedanke (oder dieses Bild) dabei, mich so zu fühlen und zu verhalten, wie ich es möchte?
Wenn Sie die zweite Frage verneinen müssen, dann ist dies ein eindeutiges Indiz dafür, dass Sie diesen Gedanken über Bord werfen sollten. Versuchen Sie, negative Gedanken durch positive zu ersetzen (s.u. Optimismus-Training).
(5) Kräfte schonen: In jeder Krise gilt, dass man sein Pulver nicht gleich am Anfang verschießen sollte. So wie es aussieht, wird uns die Corona-Pandemie einen langen Atem abverlangen. Deshalb sollte man sorgsam mit sich und den eigenen Ressourcen umgehen.
Was hilft Ihnen, in der derzeitigen Krise die Nerven zu behalten? Anregungen und Kommentare sind herzlich willkommen.
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