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Der Bandwagon Bias – Chancen und Risiken des Mitläufereffektes




 

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Wir übernehmen eine Meinung umso leichter, je mehr Personen sich dieser Meinung bereits angeschlossen haben. Diese übertriebene Neigung etwas für richtig oder wahr zu halten, nur weil viele Andere dies tun, nennt sich Bandwagon Bias (Mitläufereffekt).

Trends und Moden entstehen, gerade weil wir gerne mit Anderen übereinstimmen möchten. Beispiele aus dem Alltag gibt es zuhauf. Sind es die Sneaker einer besonderen Marke, die gerade wieder in Mode gekommen sind oder eine politische Überzeugung wie „Rettet den Wald“. Immer, wenn eine kritische Masse von Überzeugten erreicht ist, fällt es plötzlich anderen Menschen leichter, diese Schuhe als besser und die politische Überzeugung als die Richtige zu sehen.

Verstärkt und erleichtert wird das Auftreten von Bandwagon-Bias-Effekten durch das Internet. Viel schneller werden Meinungen verbreitet, andere Personen können sich Aussagen und Positionen einfach anschliessen oder diese vehement ablehnen, was jedoch ebenfalls die Aufmerksamkeit für eine Meinung nur steigert. Auch das Erzeugen einer Meinung bedarf wenig Aufwand, meistens reichen weniger als 140 Zeichen. Stabilisiert werden diese Effekte im Internet durch Influencer, die durch ihre Follower Trends und Moden verstetigen und damit den Bandwagon Bias geradezu in großem Stil implementieren.

Auch im Organisationsumfeld gibt es Moden. Große Unternehmensberatungen leben davon, dass Managerinnen und Manager glauben, mit ihrer Wahl nichts falsch machen zu können – viele andere haben diese Wahl schließlich vor ihnen getroffen. Auch die Art, wie Projekte gemanaged werden, ob früher nach dem Wasserfall-Modell oder heute agil und hybrid, folgt dem Muster des Bandwagon Bias. Ist erst einmal eine kritische Masse an Befürwortern erreicht, so schließen sich immer schneller und immer mehr Unternehmen an. Die Beispiele aus dem Organisationsumfeld sind zahlreich; jüngere Beispiele sind etwa das Thema „New Work“ und die Suche nach „Purpose“.

Der Mitläufereffekt kann Vorteile bieten

Zunächst einmal ist der Bandwagon Bias nichts Negatives. Wenn sich in einer Gruppe immer mehr Menschen einer Meinung anschließen, so sorgt das dafür, das diese Menschen leichter koordiniert zusammenleben und -arbeiten können. Finden sich in einer Abteilung viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ein Tool gut finden und nutzen wollen, so verbessert dies die Kollaboration rasant und ganz ohne formalen Veränderungsprozess.

Vorteile, die sich durch den Bandwagon Bias ergeben, sind:

  • Es findet eine Vereinheitlichung von Meinungen statt. Dies führt zu Gruppenbildungen. Innerhalb dieser Gruppen kann besser koordiniert zusammengearbeitet werden. Schließen sich in einem Unternehmen alle Mitglieder der Organisation dieser Meinung an (z.B. Teilen bestimmter Ziele, Glauben an die Vision des Unternehmens), so kann in diesen Unternehmen besonders effektiv zusammengearbeitet werden.
  • Die Anzahl aller mögliche Meinungen wird reduziert. Das ermöglicht es den Menschen in Organisationen und im Alltag, überhaupt den Überblick zu behalten und in der Lage zu sein, sich für eine Meinung zu entscheiden
  • Der Bandwagon Bias erlaubt es, dass sich bestimmte Meinungen oder Personen als Vertreter bestimmter Meinungen so exponieren können, dass sie überhaupt sichtbar werden und von Anderen angenommen werden können. Führungspersonal oder Politikerinnen und Politiker sind in dieser Weise besonders auf den Bandwagon Bias angewiesen.
  • Er bietet die Möglichkeit sich einer Meinung anzuschließen, ohne sie vorher genauer zu kennen und schon vollständig analysiert zu haben. Denn dies würde viel länger dauern. Ob die Meinung richtig war, kann dann im Nachhinein im Detail analysiert werden, man ist aber erstmal auf eine Meinung oder einen Trend aufmerksam geworden. Mir ist es z.B. beim Aufkommen von Scrum als agile Methode so gegangen. Erst im Nachhinein ist mir klar geworden, dass ich viele der Muster schon vorher angewendet habe und dann zusätzlich viele Ideen und Methodikbausteine dazubekommen habe.

Risiken und Nachteile des Mitläufereffektes müssen immer (mit-)bedacht werden

Doch der Bandwagon Bias sorgt auch für Nachteile und birgt erhebliche Risiken, die einem im Alltag und im Unternehmen bewusst sein sollten.

  • Der Bias behindert Innovation, denn unscheinbare Meinungen werden schwerer sichtbar und man schließt sich zu schnell einer von vielen favorisierten Meinung an. Deshalb sind z.B. Moderatoren ständig darum bemüht, vielfältige Aspekte durch methodische Unterstützung mit Beleuchtung zu versorgen.
  • Er legitimiert Meinungen allein dadurch, dass andere Menschen („die Mehrheit“) sich angeschlossen haben. Überprüft man die Meinung analytisch, so kann sie sich leicht als Fake News herausstellen. Bekanntes und weniger bekanntes politisches Personal kennt diesen Effekt nur zu gut und nutzt ihn ausgiebig.
  • Der Lauteste gewinnt. Dieses Phänomen wird deutlich, wenn man sich die Meinungsbildung auf Kinderspielplätzen anschaut. Doch dort wie im Organisationsalltag ist die lauteste Meinung nicht immer die richtige.
  • Meinungen werden indirekt alleine dadurch legitimiert, dass bekannte Personen eine Meinung schnell verbreiten und viele ihrer Anhänger diese Meinung teilen. Analytisch betrachtet kann sich diese Ansicht aber als besonders wenig fundiert und vielleicht nur so im Augenblick dahingesagt erweisen.

Nicht in die Mitläufer-Falle tappen! Diese Fragen helfen.

Wie also kann ich mich davor schützen, dass mich der Bandwagon Bias auf eine Fährte lockt, der ich nicht folgen möchte. Die folgenden Überlegungen und Fragen helfen dabei, nicht in eine „Bandwagon-Falle“ zu tappen:

  • Warum bin ich dieser Meinung, welche Argumente sprechen dafür?
  • Teile ich die Meinung nur, weil viele andere sie teilen?
  • Teile ich die Meinung nur, weil ein „Experte“ sie so einfach und klar vorgetragen hat?
  • Wenn man das Thema einmal ganz anders denkt, ergeben sich schnell plausible Argumente dafür?
  • Wo sind weitere Meinungen, die bisher nur leise und unscheinbar erschienen sind?
  • Wenn ich mir jetzt 5 Minuten Zeit nehme und einmal über das Thema nachdenke, welche Gedanken kommen mir?

Der Bandwagon Bias kann auch positive Folgen haben, denn er macht manche Dinge – wie gezeigt – auch leichter. Wo es aber schwerer oder falsch wird und man nur seinen Denkgewohnheiten folgt, da sollte man innehalten und (mit den o.g. Fragen) gegensteuern. Vielleicht fallen Sie auf den Bandwagon Bias jetzt nur noch rein, wenn Sie es möchten? Erfahrungen, Tipps und Anmerkungen sind willkommen!

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Quelle Foto: @ pixabay – pexels.com

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