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Customer Experience Management – wie fühlt sich Ihr Kunde?




 

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Die Inspiration für meine Blogbeiträge finde ich überall – im Job, beim Einkaufen, im Gespräch mit anderen. Dieses Mal hat sie mich im Urlaub ereilt, auf der Insel Sylt. Und vielleicht ahnen Sie es schon: die Customer Experience, die mich zu diesen Zeilen bewog, ist meine eigene und ja, das Erlebte fällt in die Kategorie „unterirdisch“. Doch dazu später mehr.

Ohne Kunden kein Geschäft, das gilt für jede Branche und deshalb gibt es zahlreiche Konzepte, Methoden und Werkzeuge, die den Kunden in den Fokus nehmen: Key Account Management für besonders profitable Kunden, Kundenbindungsprogramme mit Treuepunkten und Rabattaktionen, Fragen zur Zufriedenheit in jedweder Form und ein professionelles Beschwerdemanagement sind einige Beispiele dafür. Vor allem in Märkten mit starkem Konkurrenzdruck und hoher Austauschbarkeit der Produkte ist die Luft dünn und die Notwendigkeit, Kunden langfristig für sich zu gewinnen, sehr groß. Nicht zu vergessen ist auch die neue Macht der Kunden durch Bewertungsportale, Internetforen und soziale Netzwerke, die zunehmend das klassische Marketing unterminieren. Aus diesem Grund wenden sich immer mehr Unternehmen dem Customer Experience Management (CEM) zu.

Obwohl seine Wurzeln im sozialwissenschaftlichen Konzept der Kundenzufriedenheit und in psychologischen Ansätzen der Kundenloyalität zu finden sind, geht CEM deutlich über beides hinaus. Ziel des CEM ist der Aufbau einer emotionalen Bindung des Kunden an den Anbieter, und zwar über die Schaffung positiver Kauf- bzw. Nutzungserlebnisse. Dabei geht es aber nicht nur um direkte Effekte wie die Steigerung von Kaufbereitschaft, Umsatz oder Nutzungsintensität. Auch der nur „zufriedene“ Kunde füllt das Konzept nicht aus. Hinter dem Management von Kundenerfahrungen bzw.- erlebnissen steht der Anspruch, Kunden in einer Weise zu begeistern, dass sie loyal zu einem Unternehmen (oder einer Marke) stehen und dieses gezielt weiterempfehlen. Im Idealfall entsteht so ein erfolgreiches virales Marketing, oder die Kunden können als „Innovationspartner“ aktiv in die (Weiter-)Entwicklung und Verbesserung des Angebots eingebunden werden, wie dies bei einigen Unternehmen bereits der Fall ist.

Natürlich funktioniert das Ganze auch in die andere Richtung – womit wir wieder bei unserem Urlaub auf Sylt wären. Wir bereisen die schöne Insel seit vielen Jahren, bietet sie doch ein pollenarmes Refugium quasi direkt vor unserer Haustür. Wie in jedem Jahr buchte ich auch diesmal frühzeitig ein Quartier, eine Ferienwohnung unter Reet sollte es sein, fußläufig zum Weststrand. Schnell wurde ich fündig, schickte über ein Onlineportal meine Anfrage ab und bekam es in der Folge mit der unfreundlichsten Vermietungsagentur zu tun, die ich je erlebt habe. Dass es drei Anläufe mit drei verschiedenen Kommunikationspartnern brauchte, um das Objekt buchen zu können, ist ja noch geschenkt. Dass nach der Buchung lauter schriftliche Hinweise darauf kamen, wie man sich als „Gast“ zu verhalten habe und was alles extra kostet (Als Einzelperson müssen Sie z.B. zwei Wäschepakete buchen, sonst wird nur eine Hälfte des Bettes bezogen. Selbstverständlich müssen Sie aber pro Nacht genauso viel bezahlen wie eine 4-köpfige Familie), hat mich schon etwas stutzig gemacht.

Das erste Mal an das Thema „Customer Experience“ dachte ich, als wir unser Urlaubsdomizil bezogen und ich einen Blick in die prominent auf dem Esstisch positionierte „Infomappe für unsere Gäste“ warf. Neben den obligatorischen Hinweisen auf Mülltrennung, Rauchverbot und Co. fanden sich hier auch Kostenaufstellungen für fehlerhaftes Gast-Verhalten: 50,00 Euro extra, wenn der Schlüssel nicht bis 10:30 Uhr abgegeben ist, volle Kostenübernahme bei ungerechtfertigten Reklamationen, mindestens aber 35,00 Euro Anfahrtspauschale für die Person, die nach dem ungerechtfertigten Problem schaut, 80,00 Euro extra, falls man den Router durcheinanderbringt usw. Für Probleme wurde eine Handynummer genannt – mit dem fettgedruckten Hinweis, dass diese ausschließlich in gerechtfertigten Notfällen gewählt werden dürfe. Da fühlt man sich als „Gast“ doch gleich so richtig willkommen. Ich betrachtete die Angelegenheit mit einer Mischung aus Ärger und Belustigung. Was bewog diese inhabergeführte Vermietungsagentur bloß dazu, solche Dinge zu tun?

Es kam aber schlimmer. Nachdem wir uns am zweiten Abend unseres Aufenthaltes etwas gekocht hatten und gemütlich beim Essen saßen, gab es plötzlich ein lautes Knacken. Ratlos schauten wir uns an. Beim Aufräumen sah ich dann die Ursache: das Ceranfeld zierte ein fetter Riss. Am nächsten Morgen fuhren wir ins Büro der Agentur, um den Schaden zu melden. Sofort wurde dort behauptet, dass wir den Schaden durch Gewalteinwirkung verursacht und ergo dafür zu haften hätten. Statt eines Handwerkers kamen später Ehemann und Sohn der Geschäftsführerin unangemeldet zu uns in die Ferienwohnung – als „Zeugen“ wie sie selbst sagten. Sie verlangten forsch, dass wir den Austausch des Ceranfeldes bezahlen sollten. Ich will hier nicht weiter ins Detail gehen, nur so viel: das Gespräch nahm einen unerfreulichen Verlauf, in dem uns auch noch „dämliches Gerede“ vorgeworfen wurde, und da war dann Schluss bei mir. Das Vermietungsunternehmen hatte es nun endgültig geschafft, mit diesem „Nutzungserlebnis“ eine emotionale Bindung herzustellen: ich war stinksauer! Mittlerweile haben wir die Sache an unsere Versicherung abgegeben und der Ärger ist abgeflaut – schließlich sollte man sich, wenn schon denn schon, effizient ärgern (s.u.). Geblieben ist aber doch das Entsetzen über die Inkompetenz dieser Vermietungsagentur im Umgang mit ihren Kunden.

Dabei wird die Fähigkeit von Unternehmen, positive Kundenerfahrungen herbeizuführen, mehr und mehr zum erfolgskritischen Faktor – und das bestimmt auch auf der Insel Sylt. Was also gehört zu einem gelungenen Customer Experience Management dazu?

1. Konsequente Fokussierung auf die Erlebniswahrnehmung des Kunden

Die allermeisten Unternehmen sammeln Daten, um ihre Kunden besser zu verstehen. Sie bieten Feedbackmöglichkeiten, um herauszufinden, was sie gut machen und was sie verbessern können. Richtig gute Unternehmen geben sich damit aber nicht zufrieden. Sie schlüpfen regelrecht in die Haut ihrer Kunden und spüren der Erlebniswahrnehmung nach. Wie fühle ich mich als Kunde, wenn ich sofort nach meiner Buchung fettgedruckte Verhaltenshinweise erhalte? Was löst das Kleingedruckte im Vertrag aus? Welche Emotionen wecke ich mit ahnungslosen Mitarbeitern?

2. Positive Erfahrungen bei jedemKontakt- und Ereignispunkt

Entscheidend für eine positive Customer Experience, die aus Interessenten echte „Fans“ macht, ist die nahtlose Gestaltung der Erfahrungen über sämtliche Berührungspunkte hinweg – die „Kundenreise“ (Customer Journey). Dies beinhaltet sowohl die werbliche Ansprache, die Kontaktmöglichkeiten, die Art der Kommunikation, die Gestaltung von Verträgen, Rechnungen und Informationen, als auch die Bereitstellung des Produktes, seine Beschaffenheit, die Inanspruchnahme von Dienstleistungen, den Umgang mit Serviceanfragen und Reklamationen usw. Ziel ist eine möglichst ganzheitliche Erfahrung zu ermöglichen. An jedem Punkt soll der Kunde das Gefühl haben: Wow, das ist toll! Gibt es nur einen Ausreißer wie z.B. unfreundliches Personal am Empfang oder schlechte Erreichbarkeit von Ansprechpartnern, so leidet stets der Gesamteindruck.

3. Erwartungen stets übertreffen

Ein wichtiger Punkt ist es, die Kunden positiv zu überraschen und damit ihre Erwartungen zu übertreffen. Wer nur definierte Bedürfnisse seiner Kunden befriedigt, erreicht höchstens Zufriedenheit. Und oft nicht einmal das, denn wenn nur die Erwartungen erfüllt werden, stimmt dies die meisten Menschen eher gleichgültig. Es ist dann halt „okay“. Die „Zugaben“, die den Unterschied machen, müssen gar nicht groß sein: ein tolles Pflegeprodukt aus dem Wellnessbereich zum Abschied, eine typische regionale Spezialität als Willkommensgruß, kleine Extras in der Wohnung, die nicht beworben wurden, ein Gutschein für ein in der Nähe gelegenes Restaurant usw. Wohl jeder Mensch freut sich über besondere Aufmerksamkeit und kleine Extra-Behandlungen, die ihm das Gefühl geben, ein besonders geschätzter Kunde zu sein.

4. Das Beste zum Schluss

Einen besonders positiven Effekt erzielen solche Überraschungen während des letzten Kontaktes, den der Kunde mit dem Unternehmen hat. Mit ihnen kann ein emotionaler „Anker“ für spätere Nutzungen und Käufe gesetzt werden. Grundsätzlich ist es so, dass Menschen das vorher Erlebte positiver bewerten, wenn das zuletzt Erlebte sie erfreut hat. Sie erinnern es in der Regel auch besser. Es muss beim Customer Experience Management also immer auch darauf geachtet werden, dass die emotionale Kurve des Kunden über sämtliche Berührungspunkte hinweg nicht fällt.

5. Messen nicht vergessen

Um zu erfahren, ob die eigene Customer Experience Strategie aufgeht, muss man natürlich auch auf die Ergebnisse schauen. Den Nutzen, den die Investitionen in eine gelungene Customer Experience bringen, zu ermitteln, ist durchaus eine Herausforderung. Oft werden hier wiederholte Zufriedenheitsabfragen an den einzelnen Kundenkontaktpunkten eingesetzt, und zwar – und das ist neu – unmittelbar danach. Wenn dann auch noch in Echtzeit auf das Kundenfeedback reagiert wird, ist dies eine weitere starke Maßnahme auf dem Weg zu einem erfolgreichen Customer Experience Management. Ein anderer wichtiger Messpunkt wird über die Frage „Würden Sie XY Ihren Freunden empfehlen?“ ermittelt. Die Weiterempfehlungsrate gilt als starker Indikator (NPS – Net Promoter Score).

Im Fall der Sylter Vermietungsagentur liegt meine Bereitschaft zur Weiterempfehlung bei 0,00%. Aber wie Sie sich denken können, hat die auch gar nicht nachgefragt…

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