Digitalisierung – umfassender Wandel in der Organisation von Unternehmen
30. August 2018
Der Begriff Digitalisierung bezeichnet im ursprünglichen Sinn das Umwandeln von analogen Werten in digitale Formate. So leitet Wikipedia seinen Beitrag zu Digitalisierung ein. Ein klassisches, uns allen bekanntes Beispiel für diese Form der Digitalisierung sind Musik und Bücher: von der CD (Hardware) hin zur digitalen Musik im Stream, vom schönen Papierbuch zum Lesen auf dem eBook-Reader. Sicherlich lösten das Auftauchen von iTunes, später Spotify und Apple Musik und von Amazon als Buchhändler revolutionäre Veränderungen ganzer Branchen aus – doch hinter dem Begriff „Digitalisierung“ scheint sich noch mehr zu verstecken. Warum haben viele große Unternehmen mittlerweile einen CDO (Chief Digital Officer)? Warum graut dem Mittelstand davor, bei der Digitalisierung nicht mithalten zu können? Woher kommt die allgegenwärtige Angst vor der Disruption, die man verschlafen könnte? Hinter dem omnipräsenten Wandel, der als „Digitalisierung“ bezeichnet wird, steckt viel mehr als das Umwandeln von analogen Formaten in digitale Formate.
Das Zitat „Jeder Kunde kann sein Auto in einer beliebigen Farbe lackiert bekommen, solange die Farbe, die er will, schwarz ist.“ von Henry Ford markiert für mich den Ausgangspunkt einer Unternehmenswelt, in der Digitalisierung noch keinen Platz hat. Unternehmen diktieren, welche Massenprodukte sie herstellen, und die Kunden kaufen sie. Im vorigen Jahrhundert setzt dann folgender Prozess ein: In unterschiedlichen Branchen gelingt es einigen Unternehmen, Wünsche der Kunden nach einer individuellen Lösung zu berücksichtigen. Diese Fähigkeit wird mehr und mehr zu einem Wettbewerbsvorteil, denn Kunden kaufen immer lieber individuell, andere Unternehmen müssen nachziehen. Wettbewerber steigern die Handlungsmöglichkeiten der Kunden, die Umwelt von Unternehmen wird komplexer und hat Auswirkungen auf die Unternehmen selbst.
Zunächst muss die Umwelt, also die Kunden und die Wettbewerber, genauer beobachtet werden. Man muss Daten sammeln: Zunächst noch sehr konservativ und analog, mit Papier und Bleistift und Befragungen, in weiteren Ausbaustufen immer digitaler. Das Verhalten der Kunden und Konkurrenten wird gemessen, neuester Trend sind riesige Datenmengen, die mit Big Data auswertbar werden. Bei der Beobachtung der Umwelt spielen Daten die zentrale Rolle, ebenso wie bei der Auswahl der passgenauen Werbung für Kunden.
Auch die Grenze zwischen den Unternehmen und ihrer Umwelt ändert sich. Früher reichte es aus, wenn Zentrale Abteilungen wie Einkauf und Vertrieb Kontakt zur Umwelt hatten. Sie bereiteten Informationen auf, die Organisation verarbeitete diese, stellte ein Resultat bereit und dieses wiederum wurde von den Zentralen Abteilungen dem Markt zur Verfügung gestellt. Im Zuge des vorgestellten Prozesses reichte das nicht mehr aus. Um den Kunden oder die Lösung des Konkurrenten zu verstehen, war immer mehr das Wissen von Arbeitern aus Entwicklung und Produktion notwendig, immer mehr Mitglieder von Organisationen sind heutzutage in der Umweltbeobachtung oder der Dienstleistung am Kunden eingebunden. Das steigert zunehmend die interne Komplexität in den Organisationen und stellt höchste Anforderungen an die Mitarbeiter und die Organisation der Organisation selbst.
Damit verändern sich auch die Organisationen intern:
- Mit dem Abbau von Hierarchien soll schneller und flexibler kommuniziert und besser entschieden werden.
- Dezentralisierung macht Einheiten der Organisation als eigenes kleines Schnellboot deutlich schneller und handlungsfähiger, um individuelle Kundenwünsche bearbeiten zu können und auf die neuesten Optionen der Wettbewerber reagieren zu können.
- Die Auflösung von Funktionsabteilungen wird vorangetrieben, weil zum Verstehen der Umwelt immer breiteres und integriertes Wissen über mehrere Funktionen hinweg notwendig wird.
Um all dieses leisten zu können, sind neue Wege der Organisation notwendig, vieles davon ist in vielen Unternehmen noch im Experimentierstadium. Doch der Prozess ist noch nicht zu Ende: Die Fortentwicklung der Möglichkeiten, mit Daten zu arbeiten, wird sich fortsetzen: KI wird Big Data erweitern.
Nutzen nun Konkurrenten die neuen technischen Möglichkeiten oder können sich intern besser organisieren, so schaffen sie neue Handlungsmöglichkeiten für den Kunden und haben also wieder einen Wettbewerbsvorteil. Das macht weiter Druck auf die Unternehmen, die sich ihrerseits anpassen, um wiederum die Komplexität für ihre Wettbewerber zu erhöhen und ihre Kunden individueller zufriedenzustellen. Dieser Prozess wird sich in den kommenden Jahrzehnten immer weiter aufschaukeln. Dabei scheinen die technischen Möglichkeiten der Verarbeitung von Daten den Prozess nicht zu begrenzen. Es ist vielmehr die Fähigkeit der Organisation, sich zu organisieren, die Grenzen haben wird:
- Werden die Grenzen der Organisation zu durchlässig, so löst sie sich auf.
- Wird das Unternehmen intern zu flexibel, dann hat es irgendwann keine Richtung mehr.
- Werden die Mitarbeiter in immer unterschiedlicheren Kontexten eingesetzt und wird immer mehr funktionsübergreifendes Know-how von ihnen gefordert, dann sind sie bald überfordert. Anzeichen hierfür gibt es schon.
Was also ist Digitalisierung? Für mich ist sie der beschriebene Prozess mit all seinen Auswirkungen. Dieser wird wie gezeigt wesentlich ermöglicht durch Daten, die digital zur Verfügung stehen. Der Prozess wird durch das Umwandeln analoger Werte in digitale Daten erst ermöglicht.
Welche Auswirkungen der so beschriebenen Digitalisierung sehen Sie bei sich im Unternehmen? Erfahrungen, Anregungen und Kommentare sind wie immer sehr willkommen.
Auch interessant:
- Mentale Transformation – digitaler Wandel beginnt im Kopf
- Digitalisierung – welche Maßnahmen sind hilfreich?
- Disruptive Technologien, Teil 1: Welche Branchen sind am stärksten betroffen?
Copyright Foto: Setzwein IT-Management GmbH
| Keine Kommentare