Über Petzen, Unschuldslämmer und Beleidigte Leberwürste: Sandkastenspiele im Unternehmen
4. Juli 2011
„Wie die Kleinkinder!“, „Schlimmer als im Kindergarten!“ Haben Sie sich gelegentlich auch schon solche Sätze sagen hören? Mir jedenfalls platzt mitunter schon der Kragen, wenn ich Zeugin bestimmter Spielchen werde, die in Unternehmen – egal welcher Größe und Branche – immer wieder an der Tagesordnung sind.
Für diesen Artikel habe ich heute ein paar der beliebtesten Sandkastenspiele zusammengestellt, die mir, sagen wir mal so: regelmäßig begegnen. Vielleicht kommt Ihnen das eine oder andere oder auch alles nicht ganz unbekannt vor. Ich könnte darauf wetten! Über Ergänzungen freue ich mich.
1. Das ist MEINS!
Der Klassiker unter den Sandkastenspielen: Besitzstände wahren. Jeder kennt Chefs, Mitarbeiter, Abteilungen, die ihr „Spielzeug“ nicht herausgeben oder mit anderen teilen wollen. Dabei ist es ganz egal, ob es um Ressourcen, Titel, Einflussbereiche, Privilegien, die geistige Urheberschaft von Konzepten oder Anderes geht – sobald es etwas zu verlieren gibt, werden die Fronten hart. Im Kleinen wie im Großen. Das macht z.B. Veränderungen in Unternehmen so schwierig. Veränderung bedeutet, Risiken einzugehen. Die Risikobereitschaft von Menschen ist jedoch umso niedriger, je mehr sie zu verlieren haben (oder dies zumindest glauben). Bei Change Mangement-Vorhaben zeigt sich daher auch oft eine typische Zweiteilung. Die Verantwortlichen erwarten Vorteile für sich und sind risikobereit. Die Betroffenen halten an ihren Besitzständen fest und wehren drohende Verluste ab.
2. Ich bin VIEL größer, schneller, schlauer!
Hand aufs Herz: Ein bisschen Sozialkosmetik legen wir ja alle gern mal auf. Und ein bisschen Konkurrenz belebt das Geschäft, auch im Team. Unablässige Selbstdarstellung und permanente Wettbewerbsorientierung hingegen nerven nicht nur, sondern führen geradewegs in die Unproduktivität. Endlose Debatten, nur damit einer Recht behält, harte Bandagen beim Kampf um Statussymbole oder geräuschvolle Balztänze der Doppelpluskandidaten halten vom Wesentlichen ab: der Arbeit. Der Wunsch nach Status und Anerkennung ist menschlich und sollte im beruflichen Alltag auch angemessen bedient werden. Profilneurotiker allerdings halte ich persönlich mir vom Leib.
3. Das sag ich MAMA!
Als große Schwester bin ich früher des Öfteren verpetzt worden. Das war zwar ärgerlich, hat aber zum Leidwesen meines kleinen Bruders nie dazu geführt, dass ich erpressbar wurde. In Unternehmen habe ich das „Petzen“ als manchmal sehr hilfreiche Intervention kennen gelernt. So sind z.B. Eskalationen an höhere Instanzen oft nützlich, um Probleme in Projekten (und in der Linie) aus dem Weg zu räumen. Auch die Verstärkung der eigenen Position durch die Suche nach einem geeigneten Machtsponsor gehört zum Repertoire erfolgreicher Führungskräfte und solcher, die es werden wollen. Destruktive Formen nimmt dieses Muster jedoch an, wenn gezielt KollegInnen bei Vorgesetzten angeschwärzt werden, um sich selbst einen Vorteil zu verschaffen. Oder wenn jemand versucht, durch das „Petzen“ klärende Konflikte zu umgehen. Oder wenn Vertraulichkeiten weiter getragen werden. Auch Rachemotive („Das hänge ich an die ganz große Glocke.“) und Erpressungsversuche stellen dieses Verhalten unter kein gutes Vorzeichen.
4. WÄäääH!
Die kennt wohl jeder, die Heulsuse. Wenn die Argumente ausgehen, andere sich durchzusetzen drohen oder etwas einfach nicht gelingen will, setzt die Heulsuse ihre Waffen ein: Schluchzen, Weinen, Händeringen. Ihr Ziel: Beschützer finden und Gegner milde stimmen. Heulsusen können ihr Ausdrucksrepertoire sehr gezielt steuern und dosieren. In Unternehmen sind es nicht unbedingt haltlos fließende Tränen, die zum Ziel führen. Eine deprimierte Miene und etwas Wehklagen, z.B. über die Ungerechtigkeit im Allgemeinen und besonders hier und jetzt, wie übel einem doch mitgespielt werde, und dass man ja immer nur das Beste… und überhaupt. Schon hat die Heulsuse ihre Retter in der Tasche. Die übernehmen dann die unangenehme Arbeit: Konflikte austragen, Positionen durchsetzen, Lösungen finden. Während die Heulsuse von ihrem Logenplatz aus zuschaut. Ganz schön gerissen. Zieht bei mir aber gar nicht. Wichtig ist allerdings, die Heulsusenstrategie von echter Verzweiflung (z.B. aufgrund von Mobbing oder extrem belastenden Arbeitsumständen) zu unterscheiden. Dann ist professionelle Hilfe nötig.
5. DER hat angefangen!
Sie sind gar nicht so harmlos wie sie tun: die Unschuldslämmer. Bei Problemen sehen sie sich gern außen vor. „Was kann denn ich dafür, wenn…?“ Ertappt man sie bei unprofessionellem Verhalten, weisen sie gern jede Verantwortung von sich – und zeigen mit dem Finger auf den vermeintlichen Verursacher ihres Verhaltens. Unschuldslämmer können nie etwas für irgendetwas. Aber was noch schlimmer ist: Ihre „Unschuld“ rechtfertigt jede Sauerei. Da wird es dann oft alttestamentarisch. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Denn schließlich haben die anderen ja angefangen…
6. Mit Dir SPIELE ich NICHT mehr!
Hier spricht die beleidigte Leberwurst. Diesen Typus findet man in allen Unternehmen und auf allen Hierarchiestufen. Mit teils haarsträubenden Konsequenzen. Je nach Machtposition zerstören sie ganze Imperien, lassen Köpfe rollen oder stellen andere auf ganz subtile Weise kalt. Auslöser dafür sind meist Kränkungen – die im Leben unvermeidlich und in Führungspositionen noch unvermeidlicher sind. Beleidigte Leberwürste schaffen es oft, eine Spirale in den Abgrund loszutreten. Dies liegt daran, dass ihnen die Sachebene abhanden kommt und sie nur noch auf die eigene Befindlichkeit (Wut, Ärger) fokussieren. Dann nehmen sie auch lose-lose-Situationen und den eigenen Absturz in Kauf. Vielfach lassen sich Beziehungen im Unternehmen aber nicht einfach aufkündigen und diejenigen, die aus der Sandkiste gewiesen werden, antworten mit einem Konter. „Sag ich nicht!“ lautet die Retourkutsche der Ausgeschlossenen. Sie sichern ihre verbliebene Macht, indem sie Wissen vorenthalten und Informationen nicht weitergeben. So ganz kommt man an ihnen eben doch nicht vorbei.
So weit meine kleine Sammlung. Ergänzungen von Ihrer Seite fände ich spannend. Welche Erfahrungen machen Sie in den „Sandkästen“ dieser Welt?
Zum Weiterlesen:
Mehr Gelassenheit…
Man kann nicht NICHT führen
Checkliste zur Konfliktdiagnose
Quelle Foto: © S.Kobold – Fotolia.com
| 1 Kommentar